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In einem Pontifikalamt in der Pfarrkirche St. Clemens in Münster-Hiltrup hat Bischof Felix Genn das Gedenkjahr für den 1942 im Konzentrationslager (KZ) Dachau zu Tode gekommenen Kaplan Bernhard Poether eröffnet. Das Gedenkjahr bezieht sich auf den bevorstehenden 80. Todestag am 5. August im KZ Dachau und auf den 90. Jahrestag der Priesterweihe am 17. Dezember 1932.
In seiner Predigt verglich Bischof Genn den in Hiltrup aufgewachsenen Poether mit dem barmherzigen Samariter. Der junge Seelsorger habe die Not der Menschen unabhängig von deren Herkunft und Nationalität lindern wollen. Dabei erinnerte der Bischof an die Worte von Poether, für die er ins KZ kam: „Dem, der die Hilfe am nötigsten hat.“
Seelsorge für die „Ruhrpolen“
Mit diesem Satz hatte Bernhard Poether geantwortet, als er im Verhör mit den Nazi-Schergen gefragt wurde, wem er zuerst helfen werde. Einem Deutschen oder einem Polen?
In Bottrop und Gladbeck engagierte sich Poether für die Minderheit der ruhrpolnischen Bevölkerung. Das brachte ihn in Konflikt mit dem NS-Regime. Am 22. September 1939, drei Wochen nach Kriegsbeginn gegen Polen, wurde Poether von der Gestapo festgenommen und im Gefängnis Bottrop inhaftiert. Der Seelsorger hatte sich gegen die willkürliche Verhaftung polnischer Katholiken gewehrt. Am 19. März 1940 wurde er ins KZ Sachsenhausen transportiert, am 18. April 1941 wurde Poether ins KZ Dachau in den dortigen „Priesterblock“ verlegt.
Fehlende Mitmenschlichkeit
Die Geschichte vom barmherzigen Samariter und die Worte Poethers, die seit einigen Tagen auf großen Bannern an den Kirchen der Pfarrei St. Clemens zu sehen sind, nahm Bischof Genn zum Anlass, den sexuellen Missbrauch im Raum der Kirche anzusprechen: „Im Gleichnis heißt es: ‚Er sah ihn und ging vorüber‘ – Auch im Bistum Münster hat man viel zu lange den Verletzten und Betroffenen nicht geholfen und nicht gehört. Man sah sie (die vom Missbrauch Betroffenen) und ging vorüber.“
Die Nichtbeachtung des Leids der vom Missbrauch Betroffenen schmerze ihn, bekannte Genn. In den Bistums-Akten gebe es keine Hinweise, die das Leid der Betroffenen in irgendeiner Form wiedergäben oder thematisiert hätten. Um wie viel mehr müssten die Worte von Bernhard Poether für das Handeln der Kirche gelten: „Dem, der die Hilfe am nötigsten braucht!“
Weisung für die Nächstenliebe
Bischof Felix Genn bei der Segnung des neuen „Bernhard-Poether-Hauses“ in der Pfarrei St. Clemens in Münster-Hiltrup, hier zusammen mit Pfarrer Mike Netzler und Pfarrer em. Ewald Spieker (rechts). | Foto: Johannes Bernard
Das Lebenszeugnis des in Hiltrup aufgewachsenen Kaplans Poether sei ein gutes Beispiel dafür, wie die Weisung Jesu im Gleichnis vom barmherzigen Samariter befolgt worden sei, als Jesus die Gesetzeslehrer bezugnehmend auf den barmherzigen Samariter mit dem Satz ermahnte: „Geh hin und handle genauso.“
Pfarrer Mike Netzler sagte in seiner Ansprache, dass Bernhard Poether der Seligsprechung würdig sei. In der Tabernakel-Kapelle der Hiltruper Kirche, wo die Urne von Kaplan Poether aufbewahrt ist, betete Bischof Genn zusammen mit den Gläubigen das Gebet für die Seligsprechung Poethers.
Neues „Bernhard-Poether-Haus“ in Hiltrup
Nach dem Gottesdienst segnete Bischof Genn das „Bernhard-Poether-Haus“. So heißt das neu errichtete Haus neben dem Pfarrzentrum St. Clemens. Dort sind das Pfarrbüro und die Arbeitsräume der hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern untergebracht.
Im Rahmen der Feier und des Begegnungsabends stellte Pfarrer em. Ewald Spieker den „Arbeitskreis Bernhard Poether“ vor, der das Andenken an den couragierten Kaplan festhält. Vor einigen Jahren erschien im Auftrag des Arbeitskreises im Dialogverlag Münster eine umfassende Biografie des Priesters.