Sanktionen bisher „überraschend bis skandalös milde"

Bischof Kohlgraf fordert Überarbeitung des kirchlichen Strafrechts

Nach der Veröffentlichung des Missbrauchsberichts der katholischen Bischofskonferenz haben der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf und weitere leitende Geistliche ein Nachdenken über nötige Änderungen gefordert.

 

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Nach der Veröffentlichung des Missbrauchsberichts der katholischen Bischofskonferenz haben leitende Geistliche ein Nachdenken über nötige Änderungen gefordert. Laut dem Mainzer Bischof Peter Kohlgraf muss das kirchliche Strafrecht überarbeitet werden. Die Sanktionen, die gegen überführte Priester verhängt wurden, seien bisher „überraschend bis skandalös milde“ gewesen, kritisierte Kohlgraf im Interview mit der Mainzer „Allgemeinen Zeitung“. Oft seien sie lediglich an einen anderen Dienstort versetzt worden. „Wir müssen den Katalog der Kirchenstrafen überdenken und wir brauchen zudem einheitliche Standards.“

Der Berliner Erzbischof Heiner Koch plädierte für eine Analyse in Bezug auf den Zölibat. Auf Zusammenhänge zwischen der priesterlichen Lebensform und den Fällen von sexuellem Missbrauch besonders an Minderjährigen müsse geschaut werden, sagte Koch in seiner Bischofskolumne im Rundfunk Berlin-Brandenburg. „Wir werden uns fragen, wo in der zölibatären Lebensform Risiken liegen, wenn sie als Flucht vor der Wirklichkeit, aus Angst vor Beziehung oder aus fehlgeleiteter Sucht nach Status gewählt wird.“

 

Blick auf bisher nicht untersuchte Einrichtungen

 

Kohlgraf hatte bereits Mitte der Woche für eine Debatte über die Abschaffung des Zölibats aufgerufen. Der „Allgemeinen Zeitung“ sagte der Mainzer Bischof, der Kirche stehe nun ein schwieriger Weg bevor. Er forderte, auch katholische Internate, Heime, Kitas, Ordensgemeinschaften und Chöre in den Blick zu nehmen, die für die aktuelle Missbrauchsstudie nicht untersucht wurden.

Die Deutsche Bischofskonferenz hatte am Dienstag eine Untersuchung von Wissenschaftlern aus Mannheim, Heidelberg und Gießen über sexuellen Missbrauch von Minderjährigen von 1946 bis 2014 vorgestellt. Demnach erfassten die Autoren 3.677 Betroffene und fanden Hinweise auf 1.670 Beschuldigte. Die Dunkelziffer schätzen sie jedoch weit höher.

 

Mithilfe bei Suche nach weiteren Opfern erbeten

 

Koch bat um Mithilfe bei der Suche nach weiteren Opfern. „Wenn Sie von Vorwürfen hören oder selbst betroffen sind oder waren, melden Sie sich, bitte“, sagte der Berliner Erzbischof. „Ich empfinde Scham, dass Taten verschleiert und Täter nicht angemessen zur Rechenschaft gezogen wurden, dass das Ansehen der Kirche über den Schutz der Opfer gestellt wurde. Dafür bitte ich die Betroffenen um Entschuldigung.

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