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Alle Jahre wieder: das Sommerloch. Es muss gefüllt werden. Doch leider drängen sich in diesem Jahr von selbst viele unerfreuliche Themen auf, meint Pastor Karsten Weidisch aus St. Joseph Münster-Süd. Sommermärchen sind kaum dabei.
Alle Jahre wieder: das Sommerloch. Es muss gefüllt werden. Promis werden noch stärker gepaparazzit und gestalkt. Eindeutig zweideutige Fotos müssen her. Delikate Stories werden gesucht oder erfunden.
Pfarrer Karsten Weidisch ist Pastor und Präventionsfachkraft in St. Joseph Münster-Süd. Darüber hinaus ist er unter anderem Diözesanjugendseelsorger der Malteserjugend, Bezirkspräses der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) Hamm-Münster-Warendorf, Supervisor und Coach sowie Vorsitzender der AG Katholisches Ferienwerk Ameland.
Im Coronajahr 2020 ist wirklich alles anders. DAS Thema gibt‘s: Infektionszahlen und Sterbekurve, Hotspots lokal und global, neue Forschungserkenntnisse und Updates, lockdownen und ankurbeln, Corona-App und Rückverfolgung, Desinfektionsmittel und stylische Mund-Nase-Bedeckungen. All das nun schon monatelang.
Die Gefahr wächst: wir stumpfen ab in der Corona-Routine 2020, werden immer leichtsinniger, um alte Normalitäten zumindest sommerlochweise zu genießen. Ein unkluger Weg. Geradezu lebensgefährlich. Denn diese Pandemie ist keine Sommergrippe. Und einen Schutz über 1,5 Meter-Vorsicht und Co hinaus gibt’s auch im sommerlichen Barcardi-Feeling nicht. Die Pille danach ohne eine Impfung zuvor und weiter geht’s – das funktioniert nicht. Reinstes Sommermärchen.
Die Wahrheit dieser Welt
Auch die anderen Themen sind alle da und müssen nicht erdacht werden fürs Sommerloch: Menschenunwürde in der Fleischindustrie auch ganz ohne Corona und nicht nur bei Tönnies. Neue Regeln und Sprache bei sexualisierter Gewalt an Kindern nach Lügde und Münster. Fessenheim geht am ersten Feriensonntag vom Netz nach (zu) vielen Störfällen in 43 Jahren; dabei eine laute Stimme gegen viele andere: ein soziales und wirtschaftliches Desaster. Doch der Rückbau braucht Jahrzehnte, riskante bis gesundheitsbedrohliche Arbeitsplätze bleiben. In den USA gibt’s schon fast mehr Corona-Tote als US-Soldaten-Leichen im Ersten Weltkrieg, und Donald Trump macht Wahlkampf ohne Abstandsregeln, denn: show must go on. Und Rechte von Bands wie den Rolling Stones werden einfach missachtet. Easy going, Mr. President, and America first. Nicht nur Twitter blockiert.
Nein, Extrathemen fürs Sommerloch brauchen wir wirklich nicht. In 2020 müssen wir kein Sommermärchen schreiben. Wir können einfach bei der Wahrheit dieser Welt stehenbleiben.
Und die Corona-Pandemie zeigt uns deutlich, dass wir alle gleich ausgeliefert sind. Hautfarbe, Nationalität, Religion, sexuelle Orientierung, Kontostand und Ansehen der Person sind dem Virus völlig egal. Mit dieser Erkenntnis sollten wir meines Erachtens nicht nur ein Sommerloch füllen. „Es reicht nicht aus, kein Rassist zu sein. Wir müssen Antirassisten sein.“ - so Bundespräsident Steinmeyer vor einigen Tagen. Könnte auch von Jesus sein!
Die Positionen der Gast-Kommentare spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von „Kirche+Leben“ wider.