„Leben im Sterben“ – ein Porträt zur „Woche für das Leben“

Der Krebs kommt zum dritten Mal – doch sie kämpft

  • „Leben im Sterben“ ist das Leitwort der ökumenischen „Woche für das Leben“ 2021.
  • Doch was bedeutet das konkret?
  • Kristina Dokters aus Emsdetten kämpft mit dem dritten Krebsbefund. Ein Porträt.

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Die Emotionen von Kristina Dokters fahren gerade Achterbahn mit Looping: Mal ist da lähmende Machtlosigkeit, dann plötzlich unbändiger Aktionismus. Vor drei Wochen hat die 43-Jährige erfahren, dass der Krebs zurück ist. Bei einer Nachsorgeuntersuchung haben die Ärzte Metastasen in der Lunge entdeckt. Die kommenden Wochen und Monate werden die Hölle, erwartet die Emsdettenerin.

Sie hat schon zweimal eine Chemotherapie durchgemacht. Sich für einen dritten Durchgang zu motivieren, sagt sie ehrlich, falle schwer. Doch sie möchte leben. So lange wie möglich. Dafür gibt es mindestens vier gute Gründe: Jannis und Nike, beide zehn Jahre, Linus, sechs Jahre – und Ehemann Stefan.

 

Eine Frau vom Hospiz hilft

 

„Leben im Sterben“, das Thema der ökumenischen „Woche für das Leben“ 2021, bestimmt seit mehr als fünf Jahren den Alltag der Familie. Unterstützung bekommt sie von Evy Billermann vom Hospiz „Haus Hannah“, die immer da ist, wenn sie zum Reden gebraucht wird.

Lange ist Kristina Dokters von Arzt zu Arzt gegangen: „Keiner hat die Ursache für meine Beschwerden gefunden.“ Irgendwann glaubte sie selbst, dass sie durch Familienarbeit und den Job als Juristin bei einer Versicherung einfach nur erschöpft sei.

 

Der erste Befund

 

2016 dann schickte ihr Hausarzt sie zu einer Darmspiegelung. Das Ergebnis riss der Emsdettenerin den Boden unter den Füßen weg: Krebs im fortgeschrittenen Stadium. Das ganze Programm folgte: Bestrahlungen, Chemotherapie, zwei große Operationen – und noch eine weitere Chemo. Der künstliche Darmausgang wurde 2017 wieder entfernt.

Die erste Nachsorge war anschließend erfreulich: kein Befund. „Ich habe gedacht, wir haben es geschafft“, erinnert sich Dokters. Schnell war der Alltag wieder da. Die berufstätige Mutter hat einen hohen Anspruch an sich selbst: „Das gibt mir Struktur.“

 

Der zweite Befund

 

Im Sommer 2017 heirateten Kristina und Stefan Dokters ein zweites Mal – dieses Mal kirchlich in St. Pankratius. „Die Familie und Freunde, alle waren gekommen, und wir haben ein wunderbares Fest gefeiert.“ Ein unvergesslicher Tag. Der Krebs war raus aus ihren Köpfen – bis 2019.

„Ich hatte auf einmal Probleme beim Atmen.“ Die Emsdettenerin dachte an Asthma oder eine Bronchitis. Ihr Arzt stellte sie auf den Kopf. Sie musste sofort im Krankenhaus bleiben. Lungenembolie, Lungenentzündung. Und in der Lunge war „etwas, was da nicht hingehört“. Ein brutaler Satz.

 

Ein Spezialist wagt die OP

 

Dass sie tags zuvor noch mit dem Rad nach Münster gefahren war, irgendwie unvorstellbar. Trotzdem machte die Familie wie geplant Urlaub auf Mallorca. „Wir wollten den Akku noch einmal auftanken, gemeinsame Zeit genießen.“ Wieder in Deutschland der nächste Schock: Der Tumor sei inoperabel.

Die Ärzte im Universitätsklinikum machten der jungen Frau wenig Hoffnung. Doch ihre Schwägerin wollte die niederschmetternde Diagnose nicht akzeptieren, recherchierte im Internet und fand in Herne einen Spezialisten. Dem schrieb Kristina Dokters einen Brief mit ihrer Krankengeschichte. Zwei Tage später rief der Chefarzt und Experte für Thoraxchirurgie persönlich an: „Ich mache es.“

 

„Ich war auf einmal sicher, dass ich es schaffe“

 

Diese drei Worte haben Kristina Dokters aus dem Tief geholt, ihr Hoffnung gegeben: „Ich war auf einmal sicher, dass ich es schaffe. Der Krebs konnte mich mal...“

Die OP war nicht leicht, aber erfolgreich. Auf Chemotherapien reagiert die Emsdettenerin mit allen Nebenwirkungen. Dass sie vom Sofa nicht aufstehen konnte, erklärte sie den Kindern so: „Da sitzt ein dicker Elefant auf mir, den ich nicht wegschubsen kann...“

 

Der Spezialist will es erneut versuchen

 

Auch beim jetzigen zweiten Befall der Lunge will ihr Arzt eine Operation wagen: „Aber es wird schwieriger.“ Kristina Dokters weiß, wie es um sie steht – mit allen Konsequenzen. „Mein Mann möchte, dass ich bis zum Ende zu Hause bin.“

Darüber haben sie gesprochen. Genauso wie über eine Beerdigung. Die 43-Jährige ist realistisch: „Die Krankheit wird mich nie wieder verlassen.“ Doch erst einmal will sie die Herausforderung wieder annehmen. Denn sie möchte leben. So lange wie möglich.

 

Wer ihr Kraft gibt

 

Kraft zum Durchhalten geben ihr die Familie und Freunde: „Ihnen scheint die Kondition nie auszugehen“, erzählt sie mit einem dankbaren Lächeln. Bei der letzten Chemo stellten die Freundinnen aus der Nachbarschaft jeden Freitag einen Korb mit Überraschungen vor die Haustür. Nach der jüngsten Diagnose bringen Freundinnen Blumen, um zu zeigen: Wir sind für euch da.

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