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Der Berliner Architekt Jan Krieger ist davon überzeugt, dass durch die Neugestaltung der St.-Hedwigs-Kathedrale in Berlin die Person Bernhard Lichtenbergs eine prominente und sogar verbesserte Würdigung erfährt. Krieger antwortet mit seinem Beitrag auf ein Interview mit
Professor Frank Czerner in „Kirche-und-Leben.de“. Czerner hatte Kritik an dem vom Erzbistum Berlin gewählten Renovierungskonzept geübt.
„Lichtenberg darf nicht vergessen sein“ – so der Titel eines Beitrages von Frank Czerner in „Kirche-und-Leben.de“. Mit der in diesem Sommer begonnenen Renovierung der Kathedrale und der inneren Neufassung wird Lichtenberg nicht in Vergessenheit geraten können. Im Gegenteil: seine Person wird in Zukunft eine prominente und sogar verbesserte Würdigung erfahren. Dem Erzbistum Berlin und den Gewinnern des Wettbewerbs von 2014, den Architekten Sichau & Walter, Fulda, und dem Künstler Leo Zogmayer, Wien, ist die Bedeutung dieser Frage sehr bewusst und wird in Konzeption und Gestaltung ihren deutlichen Ausdruck finden.
Wer war Bernhard Lichtenberg?
Bernhard Lichtenberg, geboren am 3.12.1875 in Ohlau, Schlesien, Priesterweihe am 21.6.1899 in Breslau, seit 1900 in Berlin, 1932 Dompfarrer und ab 1938 Dompropst an der St.-Hedwigs-Kathedrale, wandte sich bis zu seiner Verhaftung 1941 mutig und kraftvoll gegen den Ungeist der Nationalsozialisten und bezahlte 1943 auf dem Weg ins Konzentrationslager Dachau seine Unerschrockenheit und sein Glaubenszeugnis mit dem Tod. Am 23.6.1996 wurde er im Berliner Olympia-Stadion von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen. Sein Vorbild hat Gewicht für jede neue Generation, der Ort des Gedenkens an ihn ist in der Kathedrale mitten in Berlin gut platziert.
Während der Bauzeit ist das Grab des Seligen Bernhard Lichtenberg würdevoll in der Berliner Gedenkkirche Maria-Regina-Martyrum untergebracht, nach der Fertigstellung wird Lichtenberg feierlich in die Kathedrale zurückkehren.
Umfangreicher Abstimmungsprozess
Dem neuen Innenraum-Entwurf zu unterstellen, er wolle, wie Czerner annimmt, nach der Methode „es ist genug, wir wollen nicht ständig an die Wunden des Krieges erinnert werden“ vorgehen, ist mindestens unfreundlich, entspricht aber vor allem nicht den Tatsachen.
Neben der dringenden Notwendigkeit einer optischen und haustechnischen Erneuerung waren es vorrangig (nicht vermeidlich!) liturgische, nachrangig auch mit liturgischen Belangen verwobene architektonische Gründe, die zur Entscheidung für das neue Konzept geführt haben. Es ist wichtig daran zu erinnern, dass der Entscheidung, auf der Grundlage des Entwurfes der ersten Preisträger die Kathedrale umzugestalten, verkündet durch das Hirtenwort von Erzbischof Heiner Koch am 1. November 2016, ein umfangreicher Abstimmungsprozess vorangegangen war. Mehr als ein Jahr hatte er in großer Offenheit durch Anhörungen und Gespräche mit dem Denkmalschutz, den kirchlichen Gremien und der Fachöffentlichkeit das Für und Wider zum Umbau abgewogen und dabei auch vielseitige Zustimmung erfahren. Die denkmalrechtliche Genehmigung und die Baugenehmigung liegen vor.
Nach der Gewissheit, dass durch die unerlässliche haustechnische Sanierung alle Oberflächen des Innenraumes stark in Mitleidenschaft gezogen werden würden, wäre es eine vertane Chance gewesen, die Räume danach wieder so herzustellen, wie sie waren und dadurch besonders die liturgischen Nachteile zu ignorieren.
1. Von Anfang an hatte die mittige Bodenöffnung von 8 m Durchmesser in der Fassung von Hans Schwippert – abgesehen von der damit einhergehenden Zerstörung der nach dem Krieg wieder reparierten alten Krypten-Anlage – den Verlust der erlebbaren Mitte der Kirche und die Beeinträchtigung der ursprünglichen Proportion des kreisrunden Kuppelraumes zur Folge. Haupt- und Untergeschoss bildeten durch die reine Größe der Öffnung so sehr einen Raumzusammenhang, dass weder oben noch unten voneinander unabhängige Gleichzeitigkeit entstehen konnte. Der kontemplative Rückzug aus einem öffentlicheren Oben in ein geschütztes Unten funktionierte nur eingeschränkt. Der immer wieder genannte Vergleich mit der Konfessio im römischen Petersdom verbietet sich schon wegen des Größenverhältnisses von Hauptraum zu Öffnung, die in Berlin im Verhältnis gut dreizehn mal so groß ausfiel wie in Rom. Dort ist zudem die Bodenöffnung direkt über dem Petrusgrab, in Berlin waren die Bischofsgräber und das Grab des Seligen Bernhard Lichtenberg nicht unter der Öffnung, sondern neben dem Zentralraum der Unterkirche im Kapellenkranz in separaten Räumen.
2. Die Heilige Messe konnte zwar oben, wie seit dem Konzil gefordert, versus populum zelebriert werden, aber in der Mitte sah sich der Zelebrant nicht den Gläubigen, sondern einer boden- und daher menschenleeren Öffnung gegenüber. Die Gemeinde saß links und rechts in zwei Hälften geteilt und in weitem Abstand von etwa 15 Metern voneinander entfernt. Eine gute Lage für den Ambo als Ort der Verkündigung ließ sich in dieser Situation leider nicht finden.
3. Das Feiern der Heiligen Messe in der Unterkirche, dem häufigsten Ort der Alltagsgottesdienste – oben musste dann Ruhe herrschen – war versus populum nicht möglich. Vereinzelte Gläubige konnten nur vor dem Altar mit dem Rücken zur Freitreppe und mittig unter der von hier aus gesehen ungewöhnlichen Kuppelhöhe Platz finden.
Ebenso wie oben gab es unten weit voneinander entfernt Sitzbereiche an den Seiten, die teilweise hinter der Treppenanlage verschwanden, außerdem auch hinter der Altarsäule ohne Sicht auf das Geschehen. Eventuelles Zuspätkommen wurde unvermeidbar zum peinlichen und stark störenden Schaulaufen die Treppe herunter. Selbst Gegner des Umbaus gestehen die Unzulänglichkeit der bisherigen Situation in der Unterkirche zu.
Die vierte innere Gestalt
Die St.-Hedwigs-Kirche, seit 1930 Kathedrale, von außen im Wesentlichen seit ihrer Erbauung im 18. Jahrhundert wie auch in Zukunft unverändert, hatte mit dem Nachkriegs-Konzept von Hans Schwippert schon die vierte innere Gestalt. Die von ihm konzipierte Bodenöffnung selbst hatte sich im Laufe der Zeit als Hauptgrund liturgischer Nachteile erwiesen. In Zukunft wird es wieder, wie in allen drei voneinander sehr verschiedenen Vorgänger-Fassungen des Innenraums der Kathedrale, zwei für sich erlebbare Ebenen geben, ohne dass ihr geistlicher und programmatischer Zusammenhang verloren gehen kann. Schon vom Portikus, der Eingangshalle aus wird deutlich werden, dass die Kirche zwei Ebenen, ein Oben und ein Unten hat. Drei Portale führen von dort aus in die Kirche hinein, die linke und die rechte Tür in den großen Kuppelsaal der Oberkirche. Die Unterkirche wird nicht irgendwo versteckt, sondern genau in der Mittelachse durch eine breite Treppe nach unten erschlossen.
In beiden Ebenen ist der Communio-Gedanke der Kern des neuen Entwurfes. Ganz selbstverständlich dem Rundbau entsprechend wird sich die Gemeinde im großen hellen Kuppelsaal kreisförmig um den runden, genau in der Mitte unter dem Opaion platzierten Altar, dem „Tisch des Herrn“ versammeln. In der Unterkirche, die Taufe und Gräber, Anfang und Ende des irdischen Lebens, Gedenken und Hoffnung miteinander verbindet, wird das Taufbecken in der Mitte genau unter dem Hauptaltar der Oberkirche stehen, die Gemeinde im Kreise darum versammelt.
In dem umgebenden Kapellenkranz, der noch im Original die Grabkapellen der ursprünglichen Krypta zeigt, alle mit Öffnungen zum Rund-Raum der Unterkirche, werden zwei Kammern für die Grablege der Berliner Bischöfe sowie verschiedene Andachtskapellen und Beichträume untergebracht sein.
Herausgehoben und nicht nur in einer, sondern verkoppelt mit je zwei benachbarten ehemaligen Grabkapellen, wird es auf der einen Seite zu Ehren der Patronin der Kirche die Hedwigs-Kapelle geben, ihr gegenüber mit gleichem Gewicht die Lichtenberg-Kapelle mit der Grablege des Seligen. Durch ihre je drei Öffnungen zur unteren Rundkirche werden besonders diese beiden Orte stets in enger Verbindung zur Taufkapelle stehen, in der ja in Zukunft auch ohne Tauf-Anlass wieder viele Alltagsmessen stattfinden können. Durch die Konsequenz des Entwurfes wird die imaginäre zentrale Vertikale vom Taufbecken über den Altar bis über das Opaion in den Himmel evident erlebbar gemacht.