Gast-Kommentar von Marianne Heimbach-Steins zum römischen Segnungs-Verbot

Die Kirche straft den Papst-Traum von Geschwisterlichkeit Lüge

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Immer wieder betont Papst Franziskus den Wert der Geschwisterlichkeit und der Offenheit für das Andere, das Fremde - zuletzt während seiner Reise in den Irak. Angesichts des Neins des Vatikans zu Segnungen homosexueller Paare bedarf offenkundig die Kirche selbst dieser Botschaft am allernötigsten, meint Marianne Heimbach-Steins, Professorin für Christliche Sozialwissenschaften an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster, in ihrem Gast-Kommentar.

Anfang März besuchte Papst Franziskus den Irak. Die Bilder vom Gottesdienst in der Kirchenruine, von der Begegnung mit dem schiitischen Religionsführer Groß-Ajatollah Ali al-Sistani, vom interreligiösen Gebet in Erbil, vom Gespräch mit dem verwaisten Vater des Flüchtlingskindes Alan Kurdi erregten weltweit Aufmerksamkeit.

Das Leitwort der Reise – Geschwisterlichkeit – ist das Zentralmotiv der Enzyklika Fratelli tutti (3. Oktober 2020). Bietet es mehr als frommen Seelentrost ohne praktische Wirkung in einer Welt der Machtkalküle und des gnadenlosen Interessenkampfes? Franziskus spricht immer wieder vom „Traum der Geschwisterlichkeit“. Was bedeutet es, wenn ein Papst so redet?

 

Dialog - auch im Konflikt

 

Die Autorin:
Marianne Heimbach-Steins ist Direktorin des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften und Prodekanin für Internationales, Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster.

Die Reise mit ihren Botschaften ist ein Plädoyer dafür, dass es sich lohnt zu träumen: von der Verständigung zwischen Fremden, von der Chance auf Frieden, von gemeinsamem Einsatz der Religionen gegen Gewalt und für Versöhnung. Im Irak ermutigte Franziskus die von Krieg, Gewalt und existenziellem Verlust gezeichneten Menschen, sie sollten nicht aufhören zu träumen.

Solches Werben für Geschwisterlichkeit geht alle an, die an einen lebensfreundlichen und barmherzigen Gott glauben, und alle, die menschlichem Zusammenleben mehr zutrauen als die Verteidigung von Identitätskonstrukten und Besitzständen gegen tatsächliche oder vermeintliche Bedrohungen durch „die Anderen“. Solches Werben setzt auf Vertrauen, wechselseitige Anerkennung und Dialog – auch im Konflikt.

 

Verurteilung statt Vielfalt

 

So weit, so gut und so richtig. Aber was ist los in einer Kirche, deren Oberhaupt unermüdlich für ein solches Ethos wirbt und die gleichzeitig diese Botschaft in der eigenen institutionellen Praxis systematisch Lügen straft? – Die sich zum Beispiel anmaßt, Menschen, die in Liebe und Treue miteinander leben wollen, den Segen Gottes zu verweigern, und das ironischerweise mit den Grenzen ihrer Vollmacht begründet? Was sagt das über das Ethos der Geschwisterlichkeit aus?

Anstatt die Lebenswirklichkeit von Menschen in ihrer Vielfalt als Ausdruck von Gottes guter Schöpfung anzuerkennen, werden Facetten dieser Wirklichkeit als „falsch“ und als angebliche Bedrohung des „richtigen“ Lebens verurteilt. Nichts anderes heißt es doch, wenn behauptet wird, gleichgeschlechtlichen Paaren dürfe für ihre Partnerschaft der Segen Gottes nicht erteilt werden.

Es scheint, als habe die Kirche selbst die Botschaft von der Geschwisterlichkeit am allernötigsten. Um einen Anfang damit zu machen, gilt es vom hohen Ross kirchenamtlicher Machtausübung herunterzusteigen, endlich mit der Doppelmoral im Umgang mit Sexualität aufzuräumen und im wirklichen Leben zu unterscheiden, was geschwisterliche Liebe und was anmaßende Gewalt ist.

Hinweis
Die Positionen der Gast-Kommentare spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von "Kirche+Leben" wider.

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