Wohnheime sind überfüllt

Flüchtlinge sind in Bedburg-Hau willkommen – obwohl Wohnraum fehlt

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Viele Flüchtlingsunterkünfte platzen aus allen Nähten. Immer mehr Kommunen geraten an ihre Kapazitätsgrenzen. Der „Ausländerinitiativkreis Bedburg-Hau“ berichtet, wie es in der kleinen, engagierten Stadt im Kreis Kleve aussieht.

„Noch nie hatten wir so viele Flüchtlinge in Bedburg-Hau. Es wird ziemlich eng“, sagt Annegret Ries. 285 Flüchtlinge hat der 11.000 Einwohner zählende Ort im Kreis Kleve derzeit aufgenommen, damit bislang noch nicht einmal sein Soll erfüllt und gerät bereits an seine Grenzen.

Der Wille in Bedburg-Hau wäre da

Annegret Ries hat einen guten Überblick. Seit Gründung engagiert sie sich im „Ausländerinitiativkreis Bedburg-Hau“ (AIK) der Pfarrei Hl. Johannes der Täufer, der in diesen Tagen sein 30-jähriges Bestehen begeht. Deshalb weiß sie auch: Die Bereitschaft der Kommune wäre eigentlich da.

Auf Betreiben der Ehrenamtlichen vom AIK ist Bedburg-Hau 2021 dem Aktionsbündnis „Seebrücke“ beigetreten und würde deshalb sogar mehr Flüchtlinge aufnehmen, als die Quote vorsieht. Angesichts der hohen Zahl der Neuankömmlinge vor allem aus der Ukraine scheitert es aber derzeit an der Umsetzung.

Bürokratie lähmt Flüchtlings-Neuaufnahme

„Die Stadt ist ja bereit, leerstehende Häuser auf dem Gelände der großen LVR-Klinik anzumieten. Aber die Bürokratie ist schwerfällig“, klagt Ries, „es bewegt sich gerade nichts.“ Lieferschwierigkeiten bei der Küchenausstattung oder fehlende Toiletten – viele Baustellen verzögern den Prozess zulasten der Geflüchteten, die nun in den Unterkünften enger zusammenrücken müssen. „Immerhin“, sagt Ries‘ AIK-Mitstreiter Gerd Timmer: „Hätten wir die Klinikgebäude nicht, müssten wir auf Turnhallen ausweichen.“

Die Stimmung ist angespannter, als es allen Beteiligten guttut. Stress zwischen Flüchtlingen und angestammter Bürgerschaft gibt es zwar kaum in Bedburg-Hau. Laut Timmer sind die Bedburger ohnehin ziemlich tolerant angesichts der vielen Psychiatrie- und Forensik-Patienten der LVR-Klinik, die bei Ausflügen und Freigängen unaufgeregt das Ortsbild prägen.

16 qm für fünf Personen

In den Unterkünften sorgt die Überbelegung allerdings für Stress – kein Wunder, wenn eine fünfköpfige Familie in einem 16-Quadratmeter-Raum zusammenleben muss. Zum Teil bessert sich die Wohnsituation über viele Jahre nicht.

Nagham Al Moussa aus dem Libanon, schwanger mit dem fünften Kind, wohnt seit acht Jahren im Flüchtlingsheim auf dem LVR-Gelände. Inzwischen hat die siebenköpfige Familie Al Moussa zwar zum Glück zwei Zimmer zur Verfügung. Küche, Bad und ein einfach eingerichtetes Wohnzimmer als Ausweichraum teilt man sich in der Unterkunft mit den Flurnachbarn.

In Bedburg-Hau fehlt es an Wohnraum

Glück haben die Al Moussas auch, weil vor einem halben Jahr aus ihrer alle zwei Monate verlängerten Duldung ein Bleiberecht wurde, zu dem auch die Arbeitserlaubnis gehört. Seither arbeitet Naghams Ehemann, gelernter Koch, in der Fleischzerteilung, auch der Älteste (18) hat auf Anhieb einen Job gefunden. Die Familie könnte also nun ein eigenes Zuhause anmieten. „Es fehlt aber massiv an Wohnraum“, sagt Annegret Ries, „selbst Geflüchtete mit einem guten Gehalt bleiben deshalb in den Unterkünften und können den Platz nicht für Neuankömmlinge freimachen.“

Die Aktiven im Ausländerinitiativkreis drehen an vielen Stellschrauben, um den Geflüchteten den Alltag zu erleichtern: Nähstube, Kleiderkammer, Fahrradwerkstatt, Deutschkurse, Freizeitangebote und ehrenamtliche Sozialberatung. Außerdem, ganz wichtig: In der Kommunalpolitik läuft in Flüchtlingsfragen wenig ohne die Expertise der ehrenamtlichen Gruppe. Ries sagt: „Wir vom AIK geben den Geflüchteten in Bedburg-Hau eine Stimme.“

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