Angebot der Caritas in Steinfurt

Projekt „Weg-Gefährten“: Wenn eine 80-Jährige eine 88-Jährige besucht

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Die Caritas in Steinfurt bietet seit drei Jahren das Projekt „Weg-Gefährten“ an – ein Besuchsdienst für alte Menschen, um Einsamkeit zu verhindern. Dafür werden die ehrenamtlichen Besucher weitergebildet.

Sie sind selbst nicht mehr die Jüngsten. Das sagen die Frauen selbst, die sich im Nachbarschaftshaus St. Michael der Caritas in Steinfurt-Borghorst zusammengefunden haben. Die etwa 70- bis 80-Jährigen haben aber noch etwas gemeinsam: Sie fühlen sich fit, haben Zeit und schauen gern auf die Situation anderer Menschen. Das hat sie zum Projekt „Weg-Gefährten“ gebracht – ein Besuchsdienst für Senioren, die eben nicht mehr so fit sind. An diesem Abend sind die ehrenamtlichen Helferinnen zusammengekommen, um sich für ihren Dienst weiterzubilden: Der Umgang mit Rollator und Rollstuhl steht auf dem Programm.

„Wir matchen, um Einsamkeit vorzubeugen“, sagt Andrea Jäger, die als Quartiersmanagerin der Caritas in Steinfurt das Projekt vor drei Jahren ins Leben gerufen hat. Das heißt: „Wir bringen Menschen, die im Alltag nicht mehr so viele Möglichkeiten für den Kontakt zu anderen haben, zusammen mit Menschen, die genau diesen Kontakt bieten.“ Dabei geht es um Besuche, Spaziergänge oder Einkäufe. Alltägliches, das für die Klientinnen nicht mehr zur Normalität gehört. „Und deshalb unheimlich viel für sie bedeutet.“

80-Jährige besucht 88-Jährige

Einschränkungen bei der Fortbewegung der alten Damen ist allen „Weg-Gefährten“ ein Begriff. Sechs sind zur Fortbildung gekommen, um das einmal gezielt in den Blick zu nehmen – fünf Seniorinnen und ein jüngerer Altenpfleger, der sich in seiner Freizeit ebenfalls engagiert. Es geht um praktische Tipps: Was ist wichtig, wenn Gehwege oder Türen für Rollstühle und Rollatoren zu Barrieren werden? Was muss ich beim Aufstehen und Hinsetzen beachten? Wie kann die richtige Haltung gefördert werden?

„Ich habe schon etwas Vorerfahrung“, sagt Dorothea Homann. „In meiner Verwandtschaft waren und sind einige auf Unterstützung beim Laufen angewiesen.“ Sie kann diese leisten, wenngleich auch sie bereits 80 Jahre alt ist. „Die Frau, die ich betreue, ist aber noch 8 Jahre älter.“ Homann ist durch Zufall zur „Weg-Begleiterin“ geworden. Auf einem Bingo-Abend lernte sie die Seniorin kennen. Eine Woche später besuchte sie diese das erste Mal. „Seitdem gehe ich jede Woche für ein paar Stunden zu ihr.“

Schöner als Golf spielen

Trotz allem Vorwissen. Auch Homann lernt an diesem Abend noch viel Neues. Martina Erwig-Kaul von der Pflegeberatung der Caritas in Steinfurt hat ein umfangreiches Programm auf die Beine gestellt. Dabei nehmen die Hintergrundinformationen nur einen kleinen Teil ein. Es geht vor allem um das Ausprobieren der Gefährte, um selbst ein Gefühl für bestimmte Situationen zu entwickeln. So erleben alle einmal die Unsicherheit, wenn der Rollstuhl nach hinten gekippt wird, um einen Bordstein zu überwinden. Oder die Hilflosigkeit, wenn die Bremsen nicht angezogen wurden und der Rollator beim Aufstehen keinen Halt gibt.

„Ich könnte meine Freizeit natürlich auch anders füllen“, sagt Karin Ohloff. Sie probiert mit Dorothea Homann gerade das Rangieren mit dem Rollstuhl an einer Schräge aus. „Erfüllt werde ich aber vor allem als Weg-Gefährtin.“ Die Freude der alten Damen ist ihre Freude. Das Gefühl, durch wenige Stunden viel zu ermöglichen, macht ihr mehr Spaß, „als Golf spielen zu gehen“.

Herausforderungen werden nachvollziehbar

Wie hilfreich und bereichernd diese Stunden sind, wird auch deutlich, als die Frauen zum Abschluss des Abends erfahren können, mit welchen Einschränkungen alte Menschen ihren Alltag meistern müssen. Erwig-Kaul hat Stationen vorbereitet, an denen unterschiedliche Seh- und Hör-Einschränkungen simuliert werden. Brillen schaffen „blinde Flecken“, Kopfhörer eine dumpfe Geräuschkulisse. Lesen, Entziffern und Gespräche werden für die Teilnehmer zur Herausforderung.

In ihren nächsten Besuch werden die „Weg-Gefährten“ damit noch mehr Verständnis für die Situation der alten Menschen mitbringen. „Sie können nachvollziehen, welche Leistung es ist, mit diesen Einschränkungen Kommunikation und Fortbewegung zu meistern“, sagt Jäger. Das werde helfen, den Senioren in Steinfurt weiter sensibel zu begegnen. „Und Einsamkeit zu verhindern.“

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