Helmut Flötotto bittet die einzelnen Christen um Menschlichkeit

Flüchtlings-Experte des Bistums Münster greift Politik an

In der Debatte zur Flüchtlingspolitik hat der Flüchtlingsbeauftragte des Bistums Münster, Helmut Flötotto, deutsche und europäische Politiker scharf angegriffen. Zugleich mahnte er die einzelnen Christen und Staatsbürger zu Menschlichkeit.

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In der Debatte zur Flüchtlingspolitik hat der Flüchtlingsbeauftragte des Bistums Münster, Helmut Flötotto, deutsche und europäische Politiker scharf angegriffen. Zugleich mahnte er die einzelnen Christen und Staatsbürger zu Menschlichkeit.

Flötotto äußerte sich gegenüber der Bischöflichen Pressestelle. Er nahm zu mehreren Aspekten der Flüchtlings-Debatte Stellung.

 

Fehler der deutschen Politik

 

Nach Flötottos Ansicht unterliegt die Bundespolitik der Fehleinschätzung, „durch die Dublin-Verträge der EU auf der sicheren Seite zu sein, sich mit Fluchtursachen nicht auseinandersetzen zu müssen“. Die Dublin-Abkommen sehen vor, dass Flüchtlinge nur in einem EU-Land Asyl beantragen dürfen. Das ist in der Regel das erste europäische Land, das ein Flüchtling betritt – häufig die Mittelmeerstaaten.

Helmut Flötotto.
Helmut Flötotto. | Foto: Anke Lucht (pbm)

Zudem warf der Bistums-Beauftragte Deutschland und
Europa vor, einseitig Vorteile aus der Globalisierung zu ziehen, aber jene außer Acht zu lassen, die zu den Verlierern der Entwicklung zählen. Ihnen gegenüber vermehr auf Abschreckung zu setzen, sei fatal. Wer Menschen „durch die Wüste“ in ihre Heimat zurückschicke, verlagere lediglich das Sterben – „sodass wir es nicht mehr mitbekommen“.

 

Anker- und Aufnahmezentren

 

Kritisch sieht Flötotto die geplanten deutschen „Ankerzentren“ zur Aufnahme von Flüchtlingen und der dortigen Bearbeitung ihrer Fälle: „Ich habe große Bedenken dagegen, zentrale Flüchtlingslager unter zweifelhafter Leitung anzulegen.“

 

Niveau der Diskussion

 

Den wochenlangen Streit innerhalb von CSU und CDU nannte der Experte niveaulos und unsäglich. Auch in den sozialen Netzwerken werde der Ton immer rauer: „Man diskutiert abfällig über das Überleben von Menschen.“ Flötotto bat jede und jeden Einzelnen, sensibel für die verwendete Sprache zu sein.

 

Einwanderungsgesetz

 

Ein Einwanderungsgesetz nannte der Flüchtlingsbeauftragte des Bistums Münster wünschenswert. Er warnte allerdings davor, nur auf das Abwerben von Fachkräften abzuzielen. Damit wäre „Deutschland geholfen, den Herkunftsländern nicht“.

 

Europa

 

Helmut Flötotto ist seit 2016 Flüchtlingsbeauftragter im Bistum Münster. Er koordiniert die Betreuung von Schutzsuchenden, unterstützt Netzwerke und fördert den Austausch unter kirchlichen Gruppen und Diensten. Er ist zudem Referatsleiter Soziale Arbeit beim Diözesan-Caritasverband.

Der Europäischen Union warf Flötotto vor, ihr Grundprinzip der Humanität über Bord zu werfen. Anders als bisher dürfe die EU die Mittelmeerstaaten mit den Ankommenden nicht allein lassen. Ausgebaut werden müsse die Seenotrettung ebenso wie die Entwicklungshilfe der EU.

Langfristiges Ziel sollten faire Handelsbeziehungen zu den Herkunftsländern der Flüchtlinge sein. Altkleider oder Handelsüberschüsse an afrikanische Staaten zu liefern und so deren Märkte kaputt zu machen, widerspreche diesem Ziel.

 

Bistum Münster

 

Flötotto würdigte das nach seinen Worten weiterhin hohe ehrenamtliche Engagement für Flüchtlinge im Bistum Münster, auch wenn es gegenüber 2015 und 2016 zurückgegangen sei. Er lobte auch Bemühungen der Wirtschaft und des Mittelstands, Flüchtlinge in Arbeit zu bringen. Dies dauere gleichwohl länger als erwartet. Gründe seien fehlende Deutschkenntnisse und Qualifikationen, die „nicht auf deutsche Anforderungen zugeschnitten“ seien.

 

Bitte an die einzelnen Menschen

 

Die einzelnen Christen und Staatsbürger bat der Beauftragte, „im Sinne der Menschlichkeit Rückgrat zu zeigen, nicht einfachen Parolen oder Schwarz-Weiß-Malerei zu glauben“. Deutschland sei stark genug für eine menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen. Auf die bereits aufgebauten Strukturen „dürfen wir stolz sein – daran können wir anknüpfen“.

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