Scharfe Kritik auch an Parteien mit christlichem Anspruch

Kardinal Woelki sieht in Asyldebatte „eiskalte Machtspielchen“

Kardinal Woelki sieht in der Asyldebatte in Deutschland und der EU „eiskalte Machtspiele“ in der Politik. Auch Politiker, die ihre Partei als sozial und christlich bezeichneten, kritisiert er scharf.

Anzeige

Die Asyldebatte in Deutschland und der EU stößt weiter auf harsche Kritik. So ging der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki Politiker scharf an. Er sei traurig, dass wochenlang darüber gestritten worden sei, „wie Menschen möglichst effizient an unseren Grenzen abgeschoben oder zurückgewiesen werden können“, sagte Woelki am Sonntag dem Kölner domradio.de. Dies täten „auch Politiker, die ihre Partei sozial und christlich nennen“. Während allein in diesem Jahr schon mehr als 1.400 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken seien, spielten die Politiker „eiskalt und selbstverliebt ihre Machtspielchen“.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verteidigte die Flüchtlingspolitik seiner Partei. Auf die Frage der „Bild am Sonntag“, ob das Verhalten der CSU wirklich christlich und sozial sei, verwies er auf das „erste und wichtige Handlungsfeld“ im Masterplan. Dort stehe, wie in den Herkunftsländern der Migranten geholfen werden müsse. Hilfe vor Ort sei „der humanste und wirksamste Weg, Fluchtursachen zu begegnen“. Humanität und Ordnung seien kein Widerspruch, sondern gehörten notwendig zusammen, so Seehofer.

 

Püttmann sieht veränderte CSU

 

Der Politikwissenschaftler und Publizist Andreas Püttmann kritisierte die CSU. Hinter der Regierungskrise um die Grenzfrage stehe ein verändertes Gesamtbild der CSU: „von Scharfmacherei im AfD-Sound über die Orban- und Putin-Umarmungen bis hin zu Kreuzmissbrauch, Kirchenschelte und der Denunziation von Moral“, sagte Püttmann im Interview der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Kritisch bewertete er Begriffe wie „Asyltourismus“, die unter anderem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) immer wieder benutze.

Woelki betonte weiter, gerade die Deutschen hätten aus historischen Gründen eine ganz besondere Verantwortung für Flüchtlinge. „Doch heute als reiches Land zahlen wir lieber viele Milliarden für Abschottung und Grenzschutzanlagen, statt Ertrinkende zu retten und Schutzsuchenden eine neue Heimat zu geben“, sagte er. Er finde „erbärmlich“, dass sich 28 europäische Staaten nur noch darauf einigen können, ihre Grenzmauern und Zäune höher zu ziehen, so Woelki zum Ende Juni beschlossenen EU-Asyl-Abkommen.

 

Unvollständige Migrationsdebatte

 

Der Ethiker Nikolaus Knoepffler sagte im Deutschlandfunk, die Migrationsdebatte in Deutschland werde unvollständig geführt. Moralische Überlegungen richteten sich oft erst auf Migranten, wenn sie in Seenot gerieten. Man müsse früher ansetzen. Wir fühlten uns nicht verantwortlich, weil die Armut „weit genug weg“ sei, so der Professor der Uni Jena.

Der Friedensnobelpreisträger von 1996 Jose Ramos-Horta verwies im Gespräch mit dem „Tagesspiegel“ darauf, dass die Migrationsfrage nicht nur eine europäische sei. Länder wie Saudi-Arabien entzögen sich ihrer Verantwortung. Der frühere Präsident Osttimors sprach sich gegen eine Abschottung aus: „Die europäischen Regierungen müssen in der Flüchtlingsfrage eine Einigung finden und eine feste Zahl nennen, wie viele Menschen jedes Land aufnehmen kann.“ Die „Willkommens“-Entscheidung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) 2015 lobte Ramos-Horta ausdrücklich: „Ich bin sicher, in den Geschichtsbüchern wird einmal stehen: Merkel hat damals Europa gerettet.“

Anzeige