Zum Jubiläum: 125 Jahre KAB im Bistum Münster

Katholische Arbeitnehmer: „Wir machen gerne Druck auf die Politik“

125 Jahre KAB im Bistum Münster: „Wir machen gerne Druck auf die Politik“ | Video: Michael Bönte

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Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) im Bistum Münster feiert in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen. Gegründet in Zeiten der Industrialisierung macht sie sich auch heute noch für die Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern stark, die aus unterschiedlichen Gründen von den Verhältnissen und Strukturen des Arbeitsmarktes benachteiligt werden. Mit dem Slogan „Zeit für ein besseres Arbeitsleben“ ist das ganzjährige Jubiläumsprogramm überschrieben. Eine Forderung, die sich in all den Jahren nicht verändert hat, sagt der KAB-Diözesanvorsitzende Wolfgang Kollek.

Herr Kollek, 125 Jahre KAB im Bistum Münster, was gibt es zu feiern?

Das haben wir uns zunächst auch gefragt. Ein Sozialverband wie die KAB kann ja schlecht feiern, dass es seit 125 Jahren prekäre Arbeitsverhältnisse gibt. Auch wenn es bei der sozialen Absicherung große Fortschritte gegeben hat. Man darf sich darauf aber nicht ausruhen. Deshalb feiern wir, dass wir uns nach wie vor engagiert für Menschen einsetzen, die im Leben benachteiligt sind.

Warum braucht es dieses Engagement heute noch?

Weil wir immer wieder feststellen, dass es in unserem Staat so etwas wie eine Genugtuung gibt. Man hat sich mit etwas eingerichtet. Etwa beim Thema Altersarmut. Die ist bekannt, auch weil sie mit Zahlen zu belegen ist. Es stellt sich deshalb das Gefühl ein, dass sie auch akzeptiert ist, wenn politisch nichts dagegen unternommen wird. Genau an diesem Punkt sehen wir unsere Aufgabe – in einem Staat, wo Geldumverteilung möglich ist: Warum geht diese immer zulasten der Menschen, die am unteren Ende stehen? Wir sehen uns da als Sprachrohr für diese Menschen. Wir tun das ohne Polemik und Emotionalität, weil das diesen Menschen in ihren Situationen nicht gerecht wird.

Wird der Verband denn dabei in der Öffentlichkeit wahrgenommen?

Deutlich mehr als bei den eigenen Mitgliedern. Die sind oft deutlich kritischer, weil sie noch aus einem gewerkschaftlichen Umfeld kommen, wo alles noch in Ordnung war. Wo man zeitlebens in einer tariflichen Absicherung war. Wir stellen immer wieder fest, dass die Menschen auf der Straße eine hohe Akzeptanz für unsere Arbeit haben. Man spricht uns eine hohe Seriosität zu. Uns wird vertraut, wenn wir diese Anliegen bearbeiten.

Und in der politischen Landschaft?

Wir wollen uns zu unseren Themen öffentlich positionieren. Da sind wir uns nicht selbst genug. Das haben wir zum Glück immer mehr aufgegeben: Wir wollen öffentlich Stellung beziehen. Dafür brauchen wir auch Prominenz, wie etwa Peter Kossen, der sich in der Öffentlichkeit stark macht für die Rechte von Leiharbeitern. Davon brauchen wir mehr Stimmen.

Ist die KAB laut genug, dass sie gehört wird?

Laut genug kann man nie sein. Aber wir wissen auch, dass wir mit wenigen Kräften viel bewegen können, wenn wir begeistert für eine Idee sind. Und wenn wir authentisch bleiben. Wenn ich anfange, zu polemisieren oder zu verteufeln, dann würde uns das keiner abnehmen. Wir dürfen nicht nur reinschreien, was alles mies ist, sondern müssen auch signalisieren, an einer Verbesserung mitarbeiten zu wollen. Das schafft man nur bedingt, wenn man nur laut ist. Wir müssen zeigen, wie es besser laufen kann. Dann sind wir authentisch.

Warum braucht es dabei den katholischen Player?

Unsere Botschaft ist letztlich immer die gleiche: aus dem Glauben für Gerechtigkeit. Wir verbinden unseren Einsatz für ein Miteinander in der Arbeitswelt immer mit der christlichen Grundlage. Das Profil wird dadurch anders. Weil wir keine politische Partei oder Gewerkschaft sind, sind wir nicht auf eine Richtung reduziert. Wir wollen in der Breite auf die Menschen zugehen. Wenn sich also Menschen für unsere Themen einsetzen wollen, dann können sie das eher als in einer politischen Partei, wo vieles von oben nach unten vorgegeben wird. Das einzig Verbindliche unseres Einsatzes ist der christliche Grundgedanke.

Wie sieht das Engagement in die Kirche hinein aus?

Auch die Entwicklung beim Arbeitgeber Kirche nehmen wir in den Blick. Etwa bei der Betreuung der Mitarbeiter-Vertretungen. Dafür haben wir Fachkräfte angestellt. Das ist ein Bereich, wo Menschen in speziellen Arbeitssituationen auch beim kirchlichen Dienstgeber geholfen werden kann, ihre Rechte zu vertreten und auf Probleme aufmerksam zu machen. Das wird im Bistum Münster auch immer mehr in Anspruch genommen. Da steigen die Zahlen.

Wie sieht die Entwicklung generell bei der KAB aus?

Wir liegen im Bistum bei etwa 13.000 Mitgliedern. Die Zahl geht aber jedes Jahr zurück. Was ich aber feststelle, dass wir da, wo wir sozialpolitische Themen besetzen, Mitstreiterinnen und Mitstreiter haben, die sich stark engagieren. Wir hatten früher vielleicht mehr Mitglieder, wir haben heute aber eine hohe Zahl an aktiven KABlern. Als wir im vergangenen Jahr eine zentrale Gruppe zum Thema der prekären Arbeitsverhältnisse gegründet haben, waren sofort 20 Teilnehmer aus allen Regionen des Bistums dabei. Wir leiden also nicht darunter, dass wir zu wenig Aktive haben, auch wenn die Gesamtzahl sinkt.

Ein Blick in die Zukunft: Kirche verliert in der Gesellschaft an Bedeutung – bekommt dies die KAB auch zu spüren?

Unsere Botschaft wird nicht an Bedeutung verlieren: Wir wollen, dass Menschen auskömmlich leben können. Warum sollten wir jetzt daran zweifeln? Da wird unser Mut und unser Engagement nicht nachlassen. Wir behalten ja unsere Visionen für eine gerechte Gesellschaft. Da gibt es noch so viel zu tun, gerade aus einer christlichen Motivation heraus. Das ist ein Versprechen an die Zukunft.

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