Münster bietet Alternativprogramm zum Turnier in Katar

Katholische Studierende zur Fußball-WM: Fernseher aus, Diskussion an!

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Immer mehr Gruppen und Verbände rufen dazu auf, die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar zu boykottieren. Das erste Mittel: bei Spielübertragungen den Fernseher auslassen. Auch die Katholische Hochschulgemeinde (KSHG) in Münster hat sich positioniert und ein Alternativprogramm aufgestellt. Hintergründe erläutert Lionard Tampier von der KSHG.

Eine Fußball-WM ist normalerweise ein Highlight für jeden Fan. Und jetzt sollen sie nicht gucken - warum?

Aus meiner Sicht ist die WM in Katar auf ganz vielen Ebenen falsch. Schon rein organisatorisch: Wir haben auf der Welt, vor allem auch in Europa, ganz viel Infrastruktur für ein solches Großevent. Da hätte es Länder gegeben, die das ohne große Neubauten hätten umsetzen können. Viel entscheidender ist aber der politische Hintergrund in Katar: Eine Mischung aus offensichtlich fehlenden Menschenrechten und öffentlich geäußerter Menschenverachtung. Homosexuelle und Frauen werden diskriminiert, Arbeiter sterben beim Bau der Stadien, Minderheiten werden bedroht. Ein solches Land ist nicht dafür geeignet, eine WM auszurichten.

Ändert der Fußball-Fan daran etwas, wenn der Fernseher ausgeschaltet bleibt?

Bei gesellschaftlichen Problemen ist es häufig so, dass der Einzelne nicht merkt, was er bewegt. Aber das große Ganze zählt. Es wäre schon ein deutliches Zeichen, wenn die Einschaltquoten niedrig blieben. Das macht schon einen Unterschied. Jedes Nicht-Einschalten zählt da. Damit zeige ich ja auch in meinem Umfeld eine Haltung. Wenn diese Haltung schon auf vielen anderen Ebenen nicht deutlich wird, etwa in der Politik, dann zumindest bei mir selbst.

Heimlich schauen geht auch nicht?

Unter der Überschrift „KATARstrophe“ lädt die KSHG zu Boykott- und Diskussionsveranstaltungen rund um die WM ein. Informationen unter www.kshg.de

Würde ich persönlich nicht machen, auch wenn ich das sportliche Interesse durchaus verstehe. Ich kann auch Spieler verstehen, für die diese WM vielleicht die einzige Chance im Leben ist, an einem so großen Turnier teilzunehmen. Ich selbst werde aber den Fernseher auslassen, um an dem großen Zeichen mitzuwirken.

Kann der Fan nicht auf andere Weise Zeichen setzen?

Doch, das zeigen ja viele Aktionen wie etwa der Fan-Protest in den Bundesliga-Stadien. Es geht darum, Öffentlichkeit für die Kritik zu schaffen. Die KSHG in Münster macht das mit ihrem Programm „KATARstrophe“, wo wir das Thema unterschiedlich aufgreifen. Etwa beim Eröffnungsspiel, bei dem wir als Alternative ein Public Viewing vom Endspiel der Handball-Europameisterschaft der Frauen veranstalten.

Geht es bei den Protesten nur um Katar und Fußball oder um mehr?

Es ist nur ein Beispiel von vielen. Da läuft überall immer wieder viel falsch, egal, wo ein solches Event ausgetragen wird. Korruption, Ausgrenzung und Machtmissbrauch gibt es überall. Das gilt nicht nur für den Fußball und bestimmt nicht nur für Katar. Aber bei dieser WM werden die Missstände auf besonders anschauliche Weise deutlich. Es geht um Themen, die viele Menschen gerade berühren – auch die, die mit Fußball vielleicht gar nichts am Hut haben.

Wenn trotz allem am Ende die Fußball-Begeisterung überwiegt, muss der Fan dann ein schlechtes Gewissen haben?

Nein, wichtiger ist, dass er oder sie nicht einfach nur die Spiele guckt, sondern sich reflektierend vor den Fernseher setzt. Er oder sie kann ja durchaus mit seinen Freund*innen darüber diskutieren, welche Hintergründe es gibt, und das Spiel trotzdem genießen. Der Kern des Fußballs bleibt durch die Umstände unberührt: Er ist ein Sport, der die Menschen begeistert und auch verbinden kann. Die dunkle Seite in Katar ist davon aber schwer zu trennen. So muss jeder für sich entscheiden: Wie viel ist mir der Protest wert?

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