Michael Rottmann über das Wüsten-Turnier und ungerechte Lieferketten

Warum der WM-Boykott Hoffnung auf eine bessere Welt macht

Anzeige

Wer nicht guckt, ist deshalb nicht automatisch ein besserer Mensch. Das muss allen klar sein, die bei der Fußball-WM ihren Fernseher bewusst ausgeschaltet lassen wollen. Manche aus Protest gegen Homophobie und Menschenrechtsverletzungen. Andere, weil sie mit der Wüsten-WM ihren Lieblingssport auf dem Altar von Geld und Kommerz geopfert sehen – und Boykott als einzige Möglichkeit, den Strippenziehern der FIFA zu zeigen: so nicht!

Und dennoch zählt es zu den ermutigenden Entwicklungen der vergangenen Wochen, wie viele Menschen in Deutschland diese Art Verzicht angekündigt haben. Laut einer aktuellen Infratest-Dimap-Umfrage planen vier von fünf, gar nicht oder weniger zu schauen, darunter auch eingefleischte Fans. Manche wollen die WM komplett ignorieren, andere nur die Spiele der Deutschen schauen.

Egal, wie sie es im Einzelnen handhaben – diese Konsequenz macht Mut! Denn sie zeigt, dass Menschen zum Handeln und zum Verzicht bereit sind, wenn ihnen eine Sache wirklich etwas bedeutet. Oder wenn das Schicksal und die Not anderer ihnen wirklich nahegehen: die Situation der Gastarbeiter in Katar ebenso wie die Lage der Frauen oder der queeren Community im Land.

Schritt hin zur besseren Welt?

Und es nährt die Hoffnung, dass das Beispiel Schule macht. Und manchen auch über vergleichbare Skandale – Stichwort: unfaire Lieferketten – ins Nachdenken bringt. Etwa darüber, wer und unter welchen Arbeitsbedingungen die Baumwolle für die Jeans und T-Shirts im eigenen Kleiderschrank genäht oder die Edelmetalle fürs Smartphone aus der Erde geholt hat? Wer die WM in Katar wegen der Lage der Arbeiter in den Stadien boykottiert, kann darüber nicht länger hinwegsehen!

Wie gesagt: Ein WM-Boykott macht nicht automatisch zu einem besseren Menschen. Aber wer aus der Katar-Erfahrung den Verzicht auf unfair produzierte oder gehandelte Ware für sich entdeckt und umsetzt, der hat vielleicht doch einen kleinen Schritt in Richtung einer besseren und gerechteren Welt getan.

Anzeige