Jochen Sautermeister zu Abtreibungsrecht und Embryonenschutzgesetz

Kinderwunsch-Erfüllung um jeden Preis? Auch Kinder haben Rechte!

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Abtreibung hier, Fortpflanzungsmedizin da: In Deutschland stehen wesentliche rechtliche Regeln auf dem Prüfstand. Wie stehen Elterninteressen und Kinderrechte zueinander? Der Moraltheologe Jochen Sautermeister sieht wertvolle Beiträge, den die Kirche in der Debatte liefern kann.

In wenigen Wochen erwartet die Bundesregierung den Bericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin. Dabei soll die gegenwärtige gesetzliche Regelung zum Schwangerschaftsabbruch in Paragraf 218 Strafgesetzbuch überprüft und das deutsche Embryonenschutzgesetz auf den Prüfstand gestellt werden. Letzteres regelt weitestgehend den Bereich der Fortpflanzungsmedizin und verbietet Eizellspende und Leihmutterschaft.

Schon seit längerem gibt es Forderungen aus Politik und Gesellschaft, ein Fortpflanzungsmedizingesetz zu schaffen, das den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen aufgreifen und den gesellschaftlichen Entwicklungen und Werteinsichten entsprechen soll. Während die einen eine Liberalisierung erhoffen, befürchten andere einen Dammbruch, der die Würde des menschlichen Lebens gefährde, der Manipulation und Selektion bei der Zeugung menschlichen Lebens Tor und Tür öffne und gleichsam Kinder zum Wunschprodukt und Gegenstand rechtlicher Verträge verobjektiviere.

Frankreich: Abtreibung als Menschenrecht

Der Autor
Jochen Sautermeister ist Professor für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn. 

Jüngst hat das französische Parlament das Recht auf Abtreibung als Menschenrecht deklariert und somit der gleichrangigen Bedeutung des Lebensrechts des ungeborenen Lebens eine klare Absage erteilt. 

Dagegen herrscht in Deutschland das Prinzip der doppelten Anwaltschaft vor, das dem Lebensrecht des Ungeborenen wie auch dem Selbstbestimmungsrecht der Frau Rechnung trägt. Mit dem Instrument der verpflichtenden Schwangerschaftskonfliktberatung hat der Gesetzgeber eine kompromisshafte Regelung geschaffen, die zum gesellschaftlichen Frieden beiträgt. Ihn ohne Not aufzukündigen, wäre fahrlässig. Auch die kirchlichen Verbände und Einrichtungen sprechen sich für das Prinzip der doppelten Anwaltschaft aus.

Alles legitimieren, Hauptsache Zeugung?

Dagegen verhält es sich mit der Fortpflanzung nicht ganz so einfach, neben der Perspektive der Eltern in ihrer Not eines unerfüllten Kinderwunsches auch die Perspektive des Kindes zu berücksichtigen. Schließlich wurde dieses ja noch nicht gezeugt. Da könnte es sich nahelegen, unter dem Stichwort „Reproduktive Selbstbestimmung“ ein Prinzip zu formulieren, um alles zu legitimieren, was zur Zeugung eines Kindes führt. 

Ein solcher Ansatz greift aber zu kurz: Denn schließlich haben Kinder auch Rechte. Das Kindeswohl darf dem Recht auf reproduktive Selbstbestimmung nicht untergeordnet werden, das gilt auch auf Zukunft hin. 

Verantwortete Elternschaft

Mit dem Eintreten für das Prinzip der verantworteten Elternschaft könnte die Kirche – analog zum Prinzip der doppelten Anwaltschaft – einen gewichtigen Beitrag in der gesellschaftlichen und politischen Debatte leisten. 

Allerdings dürfte sie sich dabei nicht im unwegsamen Dickicht schwer begründbarer konkretistischer Normen verheddern. Wenn es der Kirche im offenen Diskurs vielmehr gelingt, unter Einbeziehung der medizinischen Erfahrungen sowie der Erkenntnisse der Human- und Naturwissenschaften für das Prinzip der verantworteten Elternschaft einzutreten, dann könnte sie einen wichtigen Beitrag in der Debatte leisten und so Menschen in ihrer Not ernst nehmen und zugleich für das Wohl der Kinder eintreten.

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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