Stimmen eines Priesters und eines Engagierten

Kirche in der Vertrauenskrise: Reaktionen auf das Umfrage-Tief

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Die katholische Kirche genießt sehr geringes Vertrauen bei den Bundesbürgern. Ärzte hingegen führen das Ranking an. Mediziner und Kirchenvorstands-Mitglied Hermann Geldmann aus Waltrop kennt beide Perspektiven. Und Propst em. Jürgen Quante sagt: „Wir haben viel Kapital verspielt.“

Er gehört der Berufsgruppe an, die regelmäßig bei Umfragen zum Thema Vertrauen ganz vorne liegt. Ehrenamtlich aber engagiert er sich in der Institution, der laut der aktuellen Forsa-Befragung für den „Stern“ und andere Medien nur 10 Prozent der Bundesbürger vertrauen: Hermann Geldmann ist pensionierter Hausarzt aus Waltrop (Kreis Recklinghausen), weiterhin in einem Netzwerk von Palliativmedizinern aktiv, und Mitglied des Kirchenvorstands seiner Heimatgemeinde St. Peter.

Dass Ärzte ein großes Vertrauen genießen (laut Umfrage erreichen sie einen Wert von 81 Prozent), überrascht Geldmann nicht: Ärzte seien ja qua ihrer Rolle Helfer. „Der Arzt tut etwas für mich, und meistens tut er das Richtige“ – das verbinde man mit diesem Beruf. Und es gebe eben gerade in der Palliativmedizin Situationen, da habe man keine Wahl. Da könne eben nur ein Arzt die Schmerzen lindern – oder niemand. Ohne ein Grundvertrauen in die Medizinerin oder den Mediziner geht es dann nicht.

Dem Arzt vertraut man – auch im Ehrenamt  

Mit der Institution Kirche sei das anders: Deren seelsorgerischen Angebote befänden sich in einer Konkurrenz-Situation. Menschen suchten und fänden auch außerhalb der Kirche – etwa in der Psychotherapie – Hilfe in seelischer Not. Und wenn die Kirche aufgrund des Verhaltens ihres „Bodenpersonals“ kein gutes Image habe, dann schenkten Menschen eben anderen Institutionen ihr Vertrauen.

Geldmann beobachtet dabei, dass das Ansehen seines Berufs sich auch auf sein Ansehen als Ehrenamtler auswirkt, auch wenn das zunächst einmal in keinem Zusammenhang stehe: Weil die Menschen nicht zuletzt wegen seines Arzt-Hintergrundes ein gewisses Grundvertrauen zu ihm haben, ihm etwa persönliche Integrität und Empathie zuschreiben, halten sie ihn offenbar auch fürs Amt im Kirchenvorstand für besonders geeignet. Jedenfalls sei er mit dem besten Stimmenergebnis in das Gremium gewählt worden, berichtet der Mediziner.

Der Hausarzt und der Pfarrer der Heimatgemeinde sind für ihn dabei in gewisser Hinsicht vergleichbar. Das Vertrauen der Menschen in diese Personen, so beobachtet es Geldmann, sei definitiv größer als das in die abstrakten Institutionen Medizin und Kirche.

Quante: „Selbst noch kein Misstrauen wahrgenommen“

Aus der Sicht eines Geistlichen blickt derweil der emeritierte Propst Jürgen Quante auf die jüngste Umfrage. „Glaubwürdigkeit ist unser Kapital, und davon haben wir reichlich verspielt“, sagt er gegenüber „Kirche-und-Leben.de“. Insofern könne ihn – bei allen Vorbehalten, die man gegen die Methodik solcher Umfragen haben könnte – das Ergebnis nicht gleichgültig lassen.

„Es bedrückt mich schon.“ Er habe noch kein gesteigertes Misstrauen gegenüber seiner Person wahrgenommen, sagt er, aber er kalkuliere ein, dass ihm das widerfahren könnte. Und wenn er das zu spüren bekäme, dann sei ja auch verständlich angesichts des Bildes, das die von ihm repräsentierte Institution abgebe, sagt Quante, bis Mitte 2021 Kreisdechant und Propst in Recklinghausen. Dass der Papst noch einen vergleichsweise guten Vertrauenswert erzielt (17 Prozent), freut den Geistlichen, der aktuell Sprecher des Priesterrats im Bistum Münster ist. Man habe vor Ort früher viel Mühe darauf verwenden müssen, sich für das Agieren der jeweils amtierenden Päpste zu rechtfertigen. Das sei immerhin unter Franziskus nicht mehr so.

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