Unabhängige Kommission: Bistum soll 150.000 Euro zahlen

Missbrauch: Augsburgs Bischof lehnt hohe Zahlung an Opfer offenbar ab

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Das Bistum Augsburg will offenbar eine hohe Summe in Anerkennung des erlittenen Leids eines Missbrauchs-Betroffenen nicht zahlen. Die unabhängige kirchliche Kommission hatte dem Mann 150.000 Euro zuerkannt.

Das Bistum Augsburg ringt mit der bundesweiten Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) um die Höhe einer Zahlung an einen Missbrauchs-Betroffenen. Es ist die erste öffentlich bekanntgewordene Auseinandersetzung dieser Art.

Wie ein Rechercheteam des WDR auf „tagesschau.de“ berichtet, hatte die auf Beschluss der deutschen katholischen Bischöfe eingerichtete Kommission einem von einem Priester missbrauchten Mann 150.000 Euro in Anerkennung des Leids zugesprochen. Das Bistum Augsburg weigere sich aber, die Summe zu zahlen.

„Finanzielle Möglichkeiten der Bistümer“

Die UKA nimmt Anträge von Betroffenen über die Ansprechpersonen der katholischen Bistümer und Orden entgegen, legt eine Leistungshöhe fest und weist die Zahlung an. Bei einem Betrag von mehr als 50.000 Euro müssen die jeweiligen Bistümer oder Orden zustimmen.

Aus Sicht des Bistums Augsburg handelt es sich bei sechsstelligen Summen laut WDR nicht mehr um Anerkennungs-, sondern um „Schmerzensgeldzahlungen“. Grundsätzlich stellte sich Bistumssprecher Nicolas Schnall gegenüber dem WDR hinter die Arbeitsweise der UKA. Er fügte aber hinzu, es sei „gerade im Interesse der Betroffenen“, dass „die finanziellen Möglichkeiten der Bistümer nicht vollständig außer Acht gelassen werden“.

„Verfahren noch nicht abgeschlossen“

Der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte Schnall, das Verfahren sei aus Sicht des Bistums noch nicht abgeschlossen. Mit der UKA sei vereinbart, dass „alle noch offenen inhaltlichen Fragestellungen Anfang Januar 2024 besprochen werden“.

Die UKA erklärte auf Anfrage, sie werde ihre Arbeit gemäß der Verfahrensordnung fortsetzen. Darin heißt es unter anderem, der Zahlungsrahmen orientiere sich „am oberen Bereich der durch staatliche Gerichte in vergleichbaren Fällen zuerkannten Schmerzensgelder“.

Der konkrete Fall

Das könnte zu finanziellen Herausforderungen für die Bistümer führen. Im Juni hatte das Kölner Landgericht entschieden, das Erzbistum Köln müsse einem Betroffenen 300.000 Euro zahlen. Anschließend kündigten bundesweit mehrere weitere Betroffene ähnliche Klagen an.

Im konkreten Fall im Bistum Augsburg schrieb der Betroffene in seinem Antrag, er sei als Kommunionkind vom Priester zum ersten Mal im Genitalbereich „gestreichelt“ worden und habe ihn dort berühren müssen. Es seien zwei Jahre schlimmster sexualisierter Gewalt gefolgt, auch mit Vergewaltigungen.

Bisher gab es keine Ablehnungen

Das Bistum Augsburg hielt die Angaben des heute 62-Jährigen für plausibel und leitete den Antrag an die UKA weiter. Diese erkannte ihm wegen der Schwere des Falls 150.000 Euro zu.

Gegenüber dem WDR erklärte die Kommission, 2022 habe sie in 143 Fällen vorgeschlagen, mehr als 50.000 Euro zu zahlen. In allen Fällen hätten Bistümer und Orden zugestimmt. Auch der Tätigkeitsbericht von 2021 führt auf, alle Zahlungen seien genehmigt worden.

„Gutdünken der Bischöfe“

Der Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz, Johannes Norpoth, sagte dem WDR, die bisherige Weigerung des Augsburger Bischofs Bertram Meier bestätige Befürchtungen, das kirchliche System der Anerkennungszahlungen sei „immer vom Wohlwollen und Gutdünken der deutschen Bischöfe abhängig“.

Der Betroffene selbst äußerte sich gegenüber dem WDR erschüttert. Das Bistum Augsburg wisse „doch gar nicht, wie es mir wirklich geht“.

Update 17.15 Uhr: Text wesentlich erweitert.

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