Familienberaterinnen über ein schwieriges Verhältnis

Mutter und Tochter – ein Team fürs Leben?

Was macht eine gute Mutter aus, was eine gute Tochter? Auf einem Workshop der Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Bistum Münster suchten 70 Frauen nach Antworten - und beleuchteten ein schwieriges Verhältnis.

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„Weil Gott nicht überall sein konnte, schuf er die Mütter.“ Das aus Arabien stammende Sprichwort quittieren die Teilnehmerinnen des Workshops mit lautem Lachen. „Mütter und Töchter – eine never ending story“ („eine unendliche Geschichte“) lautet das Thema.

Etwa 70 Mütter und Töchter zwischen acht und 80 haben sich auf Tischen, Stühlen und dem Boden platziert. Eine Teilnehmerin aus Hamburg ist extra wegen des Themas angereist. Im Verlauf der Veranstaltung häufen sich Fragen über Fragen auf. Viel Verunsicherung ist spürbar.

 

Viele Erwartungen an Mütter

 

Edith Schrameyer und Barbara Werheid von der Ehe-, Familien- und Lebensberatung in Dinslaken leiten die Werkstatt. Sie geben noch mehr Sprüche zum Besten: „Was die Mutter spinnt, das webt die Tochter“ – eine Weisheit aus Bulgarien. Oder: „Alle Frauen werden wie ihre Mütter, das ist ihre Tra­gödie. Kein Mann wird wie seine Mutter, das ist seine Tragödie.“ Das Zitat stammt von dem irisch-englischen Schriftsteller Oscar Wilde.

Auf Mütter und Töchter lastet ein vielfältiges Erbe, verdeutlichen die Familienberaterinnen. Gesellschaftliche und politische Erwartungen spielen ebenso eine Rolle wie kulturelle und religiöse Wertvorstellungen. Was charakterisiert eine gute Mutter? Was eine Rabenmutter? Was zeichnet eine gute Tochter aus? Die Rollenbilder sind dem Wandel unterworfen.

Wie können Mütter ihren Töchtern Flügel verleihen, sodass sie später zurechtkommen und beweglich bleiben? Sport stärkt das Selbstbewusstsein. | Foto: pixabay.deWie können Mütter ihren Töchtern Flügel verleihen? Sport stärkt das Selbstbewusstsein. | Foto: Pixabay

 

Moderne Supermütter

 

Barbara Werheid, Mutter dreier Töchter und eines Sohnes, demonstriert das an aktuellen Fotos aus der Regenbogen-Presse. Momentan sind Supermütter und Karrierefrauen hip. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Kreis ihrer sieben Sprösslinge steht dafür als Vorbild.

Oder US-Schauspielerin Angelina Jolie, der beim Shoppen mit ihrer vielköpfigen Kinderschar von Paparazzi aufgelauert wird. Erfolg, Sexappeal und gutes Aussehen scheinen sich bei diesen Vorzeigefrauen problemlos mit dem Muttersein zu verbinden.

Generationen zuvor war eher das „brave Mädchen“ gefragt, das sich zur züchtigen Hausfrau und fürsorglichen Mutter weiterentwickelte. Auch christliche Werte webten am Mutterbild mit, zeigt Werheid anhand von Darstellungen aus der Kunst: Maria als schöne, jungfräuliche Kind-Mutter. Maria als Nährende, Bittende oder stumm Leidende. Auf einer Abbildung gibt sie gar dem Jesuskind einen Klaps auf den Popo.

 

Mütter sind auch Töchter

 

Der gesellschaftliche Überbau ist die eine Seite, das persönliche Erleben die andere. „Jede Frau ist eine Tochter. Jede Mutter auch“, führt Edith Schrameyer, Mutter einer Tochter und zweier Söhne und Leiterin der Beratungsstelle, ein. „Wir Mütter geben unsere Erfahrungen an die Töchter weiter. Die Töchter beeinflussen aber auch uns.“
So würden Töchter ihre Mütter häufig als „peinlich, unmöglich oder indiskutabel“ erleben, wenn sie in die Pubertät kommen.

Die Tochter halte der Mutter den Spiegel vor: „Was hast du an, wie siehst du denn aus! Findet uns unsere Tochter klug und emanzipiert?“, umreißt Schrameyer das besondere Verhältnis. Mütter seien zudem „empfänglich für Schuldgefühle“. Sie fühlten sich verantwortlich für die Entwicklung ihrer Töchter.

 

Unbewusste Weitergabe von Werten

 

Werheid und Schrameyer bitten die Teilnehmerinnen des Workshops, sich ihre persönliche Mutter-Beziehung vor Augen zu führen. „Wo war meine Mutter für mich Vorbild? Welche Charaktereigenschaften kann ich an ihr nicht ausstehen? Welchen Kommunikationsstil haben wir gepflegt?“

Im zweiten Teil der Veranstaltung soll es um die Beziehung zur Tochter gehen. Schnell wird aber deutlich, dass beide Sphären kaum scharf voneinander zu trennen sind. Das Thema Wertschätzung steht im Raum. „Ich fühle mich in der Mitte, bin Tochter und Mutter“, beschreibt eine Frau ihren Zwiespalt. „Ich möchte nicht so sein wie meine Mutter, erst recht nicht gegenüber meiner Tochter. Da wünsche ich mir eine Lösung.“

Die beiden Diplom-Psychologinnen Edith Schrameyer (links) und Barbara Werheid arbeiten bei der Ehe-, Familien- und Lebensberatung des Bistums Münster in Dinslaken. | Foto: Karin WeglageEdith Schrameyer (links) und Barbara Werheid. | Foto: Karin Weglage

 

Feindin oder Freundin?

 

„Was gebe ich unbewusst weiter an meine Tochter, wenn ich meine Mutter stets als Problem erlebe?“, fragt sich eine andere Teilnehmerin. „Ich habe meiner Mutter als Jugendliche wenig Respekt entgegengebracht“, greift eine Dritte das Thema auf.

„Meine Tochter schätzt mich auch nicht. Sie ist gerade in der Pubertät.“ Eine Vierte stellt die Verbindung zum eigenen Selbstwert her. „Je mehr ich feststelle, wie viel ich von meiner Mutter geerbt habe und ich mich dabei mag, je mehr kann ich mich mit meiner Mutter versöhnen.“

 

Wechselbad der Gefühle

 

„Egal was wir als Mütter machen – in 20 Jahren rechnen unsere Kinder mit uns ab“, wirft eine Frau in die Diskussion ein. Die Schuldfrage steht im Raum. „Ich habe zwei Töchter, 17 und 19 Jahre alt. Mit der einen komme ich wunderbar klar, mit der anderen knirscht es heftig“, berichtet eine Teilnehmerin. „Können Kinder so unterschiedlich sein? Oder habe ich mich schon auf die eine total eingeschossen?“ – „Mal sind wir wie Feuer, mal wie Wasser“, sagt eine Mutter über das Wechselbad der Gefühle mit ihrer Tochter. Sie genieße es, wenn sie „beste Freundin“ sein könne.

Konflikte gehören offensichtlich zum Mutter-Tochter-Verhältnis. Die Frage sei nur, wie die Meinungsverschiedenheiten ausgetragen werden. Barbara Werheid rät Müttern, dabei sehr genau auf die Sprache zu achten (siehe auch Kasten unten). Vorwürfe seien kontraproduktiv. Auch verallgemeinernde Wörter („immer“, „nie“ oder „man“), schadeten dem Gespräch. „Sprechen Sie bei Problemen das Herz Ihrer Tochter an und nicht ihren Kopf. Und bleiben Sie immer bei sich und Ihren Gefühlen.“

 

Hohe Erwartungen

 

„Bei meiner Tochter habe ich immer auf Kooperation gebaut und auf ihr Entgegenkommen“, berichtet eine ältere Teilnehmerin. „Heute wundere ich mich, warum ich von ihr so viel mehr erwartet habe als von meinem Sohn.“

„Meine Mutter hatte keine Zeit, mich auf den Schoß zu nehmen. Sie musste sich um die große Familie kümmern“, erinnert sich eine ältere Teilnehmerin. Die Mutterrolle habe sich verändert, ergänzt eine andere. „Wir haben einen Führerschein, einen Beruf und sind Mutter. All das war für die Kriegs- und Nachkriegsgeneration nicht möglich.“

Mütter und Töchter – ein Team fürs Leben. | Foto: pixabay.deMütter und Töchter – ein Team fürs Leben. | Foto: Pixabay

 

Pflichtgefühl und Druck

 

Trotz Wandel – im Verhältnis zur eigenen Mutter fühlen sich viele der anwesenden Frauen in der Pflicht. „Du sollst Mutter und Vater ehren“ – das vierte Gebot mache ihr Druck, bekennt eine Teilnehmerin. „Was muss ich leisten, wenn meine Mutter gebrechlich wird?“

Kurz entspinnt sich eine Diskussion darüber, dass jemanden zu ehren und jemanden zu lieben zwei unterschiedliche Paar Schuhe sind. Dann fragt eine Frau, die sich schon bald als Pflegende sieht: „Wie kann ich mit all den alten Verletzungen und der Wut auf meine Mutter umgehen?“

Verunsichert ist auch eine 22-Jährige: Sie sei jedes Wochenende bei ihren Eltern, obwohl sie vor vier Jahren ausgezogen ist. „Bin ich zu unselbstständig? Kann ich mit meinen Eltern spazieren gehen, wenn man das doch in meinem Alter nicht mehr tut?“
„Meine Mutter hat sehr zwischen ihren Söhnen und Töchtern unterschieden. Das fand ich ungerecht“, erinnert sich eine 70-Jährige. Das sei damals das „katholische Familienbild“ gewesen. Sie habe ihre Mutter aber auch als starke Frau erlebt. Das habe geholfen, sich mit diesem Bild zu versöhnen.

 

Sehnsucht nach Versöhnung

 

Überhaupt ist viel von Versöhnung die Rede, als Barbara Werheid bei der Abschlussrunde fragt: „Was fanden Sie gut bei Ihrer Mutter und wollen es weitertragen an Ihre Tochter?“ Auch diesmal sind die Beziehungsebenen verwoben. „So wie ich meine Tochter in den Arm nehmen und küssen kann, möchte ich das auch bei meiner Mutter tun“, wünscht sich eine Teilnehmerin. Früher sei das nicht üblich gewesen.

„Meine Mutter hat mir immer gesagt, wie geliebt und gewollt ich bin. Das möchte ich an meine Tochter weitergeben“, sagt eine andere. Für eine 40-Jährige ist die Weitergabe des Glaubens wichtig. „Meine Mutter hat mir Zeit gegeben, als ich der Kirche kritisch gegenüber stand.“ Ihre Mutter habe sich in der Pfarrgemeinde aktiv engagiert. Das habe sie von ihr übernommen und wolle das auch an ihre kleine Tochter weitervermitteln. Und gelassen reagieren, wenn ihr Kind ebenfalls in eine kritische Phase kommt.

Besser miteinander reden
Die Familienberaterinnen Edith Schrameyer und Barbara Werheid zeigen auf, wie das Gespräch mit der Tochter auch im Konfliktfall besser gelingen kann.
- Wählen Sie für wichtige Gespräche die passende Gelegenheit.
- Bleiben Sie bei sich, wenn Sie mit Ihrer Mutter oder Tochter
diskutieren. Vermeiden Sie Vorwürfe. Statt „Du machst mich traurig“ sagen Sie besser: „Ich bin traurig.“
- Benennen Sie konkrete Situationen oder das konkrete Verhalten, das Ihr Gefühl auslöst, und bleiben Sie beim Thema. Vermeiden Sie Wörter wie „immer“ und „nie“. Etwa: „Du hörst mir nie zu.“
- Versuchen Sie beim Gespräch nicht nur den Kopf, sondern auch das Herz Ihres Gegenübers zu erreichen.
- Machen Sie sich bewusst: Sie haben immer wieder eine Chance, die Beziehung zu Ihrer Mutter oder Tochter neu zu gestalten.

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