Behörden im Kreis Viersen sprechen von Unklarheiten

Nach Kirchenasyl-Räumung: Doch keine Abschiebung in Lobberich

  • Die geplante Abschiebung eines kurdischen Ehepaars im Kreis Viersen ist abgesagt.
  • Die Behörden hatten das Paar zuvor unangekündigt aus einem Kirchenasyl in Lobberich geholt.
  • Als Grund für die Absage der Abschiebung werden "Unklarheiten" genannt.

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Die geplante Abschiebung eines kurdischen Ehepaars, das die Behörden unangekündigt aus einem Kirchenasyl in Nordrhein-Westfalen geholt hatten, ist abgesagt. Es hätten sich Unklarheiten in der Bewertung des Falls ergeben, insbesondere in der Abstimmung mit dem Land NRW, teilte die zuständige Stadt Viersen am späten Montagnachmittag mit.

Damit wird das Paar nicht wie ursprünglich vorgesehen nach Polen überstellt, sondern durchläuft ein Asylverfahren in Deutschland. Der Fall hatte für Aufsehen gesorgt, weil die Räumung eines Kirchenasyls ungewöhnlich ist.

Die Geschichte dahinter

Das Ehepaar war 2021 aus dem Irak geflohen und lebte seit Mai im Kirchenasyl in Räumen der evangelischen Kirchengemeinde Lobberich/Hinsbeck im Kreis Viersen. Am 10. Juli wurde es während einer unangekündigten Hausdurchsuchung festgenommen und in Abschiebehaft genommen.

Unbestätigten Angaben zufolge sollte es am Dienstag nach Polen überstellt werden, wo es in die EU eingereist war. So sieht es das sogenannte Dublin-Abkommen vor. Einen Eilantrag, mit dem der Anwalt des Paares die Überstellung verhindern wollte, lehnte das Verwaltungsgericht Düsseldorf am Montag ab.

Kritik an "brutalem Bruch des Kirchenasyls"

Ein erster Versuch, das Paar vom Flughafen Düsseldorf in das östliche Nachbarland zu überstellen, war abgebrochen worden, weil die Frau einen Zusammenbruch erlitten hatte.

Kirche und Menschenrechtler hatten den "seit Jahren einzigartigen, brutalen Bruch des Kirchenasyls" kritisiert. Kirchenasyle müssten auch künftig geschützte Räume bleiben, betonten die Organisation Pro Asyl, die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche und das Ökumenische Netzwerk Asyl in der Kirche in NRW. In Viersen hatte am Freitag eine Protestaktion stattgefunden.

Bürgermeisterin: Sauer gearbeitet

Viersens Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) erklärte: "Die Ausländerbehörde der Stadt Viersen hat den Fall rechtlich einwandfrei und absolut sauber abgearbeitet." Grundlage seien - wie in Asylverfahren vorgegeben - die Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Die Gerichte hätten das Vorgehen der Ausländerbehörde uneingeschränkt unterstützt.

Die Eheleute werden nach Angaben der Stadt unmittelbar aus der Abschiebehaft entlassen. Da die Überstellungsfrist am Dienstag ablaufe, gehe das Asylverfahren nun auf die deutschen Behörden über. Damit sei der Haftgrund entfallen. Über das weitere Vorgehen entscheide das BAMF.

NRW-Ministerium begrüßt Stopp

Das nordrhein-westfälische Fluchtministerium hat den Stopp der Rücküberstellung begrüßt. "Das Land hat sich hier aktiv eingebracht und stets betont, dass das Institut des Kirchenasyls einen wichtigen Beitrag leistet, um in schwierigen Einzelfällen Lösungen zu finden, die auf der einen Seite den rechtlichen Rahmen wahren und gleichzeitig besondere Härten verhindern können", teilte das Ministerium dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit.

"Davon losgelöst wird das Land die landesbezogenen Abläufe in Fällen des Kirchenasyls zeitnah aktualisieren und dazu den Erlass zum Kirchenasyl erneuern und darin die seit Jahren bekannte und weiterhin vertretene Rechtsauffassung des Landes zu Fällen des Kirchenasyls noch mal aufbereiten", erklärte das Ministerium. Zudem wolle das Land den in Corona-Zeiten ausgesetzten Dialog mit Landeskirchen und dem BAMF  zeitnah fortsetzen.

Was bedeutet Kirchenasyl?

Beim Kirchenasyl nehmen christliche Gemeinden oder Ordensgemeinschaften Asylbewerber auf, die von Abschiebung bedroht sind. Nach einhelliger Auffassung verstoßen sie damit gegen geltendes Recht. Gewöhnlich respektieren die Behörden diesen Schutzraum jedoch. Es gibt sogar entsprechende Absprachen zwischen BAMF und Kirchen.

Bundesweit gibt es der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche zufolge derzeit rund 425 Kirchenasyle, davon rund 140 in NRW. Dort seien im vergangenen Jahr rund 98 Prozent der Fälle mit einer Bleibeperspektive für die Betroffenen beendet worden.

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