Rund 100 Helfer an fünf Standorten im Einsatz

„Offene Weihnacht“ in Münster: Seit 50 Jahren ein echter Dauerbrenner

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Seit mehr als 50 Jahren werden Bedürftige und Einsame in Münster zur „Offenen Weihnacht“ eingeladen. Auch die ehrenamtlichen Helfer an fünf Standorten fühlen sich von den gemeinsamen Stunden beschenkt.

Es ist die Kernzeit des Familienfestes: Heiligabend ab 18 Uhr wünscht sich wohl jeder in den Kreis seiner Liebsten. Gottesdienst, Bescherung, gutes Essen – diese Stunden sind eine besetzte Zeit, für Klein und Groß. Wer möchte darauf verzichten? Die rund 100 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer bei der „Offenen Weihnacht“ für bedürftige und einsame Menschen in Münster tun dies freiwillig. Keiner von ihnen würde aber von Verzicht sprechen.

„Wir opfern keine Zeit, wir bekommen Zeit geschenkt“, sagt Barbara Kubina. Sechs Jahre gehört sie bereits zu dem Team, das in die Räume der St.-Martini-Gemeinde einlädt. Bis zu 80 Gäste kommen dann, um ein paar Stunden „echte Weihnachten“ zu erleben. „Ganz klassisch: Kaffee und Kuchen, manchmal kommt der Weihbischof, die Weihnachtsgeschichte wird gelesen, es wird gesungen, ein Festmahl serviert und es gibt eine kleine Bescherung.“ Bei der sie sich mehr als Beschenkte, denn als Schenkende fühlt. „Wenn ich nachts nach dem Aufräumen mit dem Bus nach Hause fahre und die Domglocken läuten – dann ist für mich wirklich Weihnachten.“

„Offenen Weihnacht“: Alle sind willkommen

So geht es vielen der insgesamt fast 100 Helfern an den fünf Standorten der „Offenen Weihnacht“ im Stadtgebiet. „Sie leben an diesem Tag die frohe Botschaft der Geburt Jesu“, sagt Verena Horn, die das Angebot des Stadtdekanats Münster zentral organisiert. Ein explizit religiöses Angebot soll es aber nicht sein. „Es sind alle Menschen willkommen, egal mit welchem Hintergrund.“

Sie selbst fährt mit ihrem Mann am Nachmittag die Standorte ab und liefert das Festessen aus. „Die Bundeswehr stellt Koch und Küche, die Lebensmittel werden gespendet.“ Wie eigentlich alles, was an diesem Tag gebraucht wird. Geschäftsleute, Firmen, Kirchen und Privatleute bringen sich ein, damit das Fest festlich wird. „Das ist seit mehr als 50 Jahren gewachsen“, sagt Horn. „Für alles gibt es Spender und Organisatoren.“ So kann es auch dieses Mal Rouladen mit Klößen und Rotkohl geben – Süßigkeiten, Hygiene-Artikel und Gebäck kommen in die Geschenktüten.

Gastgeber und Gäste rücken zusammen

Die ehrenamtlichen Helfer werden wieder bereits am Nachmittag im Einsatz sein, um die Feiern vorzubereiten. Und sie kommen erst spät abends wieder heim. Vermissen sie nicht die stillen Stunden in der Familie? „Nein, ich habe diese Form des Heiligabends persönlich für mich entdeckt“, sagt Marlies Jäger, die im Pfarrheim in Münster-Mauritz im Einsatz sein wird. „Als meine Eltern starben, habe ich bewusst nach einer Möglichkeit gesucht, das Fest nicht allein zu verbringen.“ Jetzt sitzt sie mit Menschen zusammen, die aus ähnlichen Gründen kommen. „Es gibt nicht wenige Helfer, denen es genauso geht“, sagt die 72-Jährige. Gastgeber und Gäste rücken mit diesem Gefühl eng zusammen.

Heike Buß hingegen wagt den Spagat. Die Senioren-Begegnungsstätte Hansa-Hof, den sie ehrenamtlich mitorganisiert, liegt in der Nähe ihrer Wohnung. Wenn am Heiligen Abend die Gäste an den Tischen Platz genommen haben, hofft sie, für ein oder zwei Stunden zur Familienfeier mit ihren Kindern und Enkeln wechseln zu können. Später geht sie dann zum Aufräumen wieder in den Hansa-Hof. Es gibt sicher entspanntere Möglichkeiten für das Weihnachtsfest. Was sie von ihrem Engagement aber nicht abhält. „Ich bin dankbar, dass ich so eine tolle Familie und noch viele Kontakte habe – davon möchte ich anderen etwas weitergeben.“

Tränen der Dankbarkeit

Es geht nicht immer besinnlich zu. Wenn Barbara Kubina von den Feiern erzählt, ist herauszuhören, dass es auch mal „deftig und laut“ sein kann. „Das ist in Ordnung“, sagt sie. „Denn die Menschen, die kommen, stehen im Mittelpunkt, nicht unsere Vorstellungen von der Feier.“ Deshalb gibt es beim Fest neben der Martini-Kirche ein Raucherzimmer, es wird auch Bier serviert. Und so rau, wie sich der ein oder andere Gast auch gibt – am Ende sind alle berührt von der Atmosphäre. „Da gibt es oft Tränen der Dankbarkeit.“

Auch sie hatte das ein oder andere Mal Tränen in den Augen, wenn sie sich auf den Heimweg machte. So wie im vergangenen Jahr, als ein älterer Mann ohne Obdach noch lange allein am Tisch sitzen blieb. „Er wollte nicht in seine Behelfsunterkunft, weil es dort kalt und zugig war.“ Kubina suchte nach Decken, die sie ihm hätte mitgeben können, fand aber keine. „Als ich suchend an der Eingangstür vorbeikam, traute ich meinen Augen nicht – da stand eine große, dicke Rolle, beklebt mit kleinen, goldenen Sternchen.“ Darauf ein Schild: „Schlafsack zu verschenken“. Eine bessere Zeit und einen besseren Ort konnte es für die anonyme Spende nicht geben. Kubina und der Mann hatten feuchte Augen, als sie sich verabschiedeten. „Das war ein echtes Weihnachtswunder.“

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