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Einsamkeit – immer noch unterschätzt, aber womöglich auf dem Weg zur „neuen Epidemie“. Gerade zu Weihnachten und am Jahreswechsel spüren Menschen Einsamkeit besonders. Dabei kann jede und jeder Einzelne etwas dagegen tun, sagt unser Reporter Johannes Bernard.
Endlich nimmt die Bundesregierung Menschen in den Blickpunkt, die einsam sind oder sich einsam fühlen: Fast unbemerkt und im Schatten der Haushaltskrise will die Politik einsame Menschen stärker unterstützen und gegen soziale Isolation vorgehen. Das Bundeskabinett hat passend dazu eine „Strategie gegen Einsamkeit“ verabschiedet und gleich 111 Maßnahmen angekündigt.
Einsamkeit ist zu einem Phänomen geworden, das einige als „neue Epidemie“ bezeichnen und das bei weitem nicht nur auf alleinlebende und trauernde Menschen zu beziehen ist. Das Gefühl, allein zu sein, trifft auch immer mehr junge Menschen. Tägliche Video-Konferenzen im Beruf und das permanente Nutzen von Whatsapp verdecken oft ein Problem, über das Betroffene ungern sprechen.
Hilfe kann einfach sein
Gerade an Weihnachten, wenn Familien und Freundschaftskreise zusammenkommen, an Silvester, wenn Partys gefeiert werden, am Neujahrstag, wenn gemeinsame Pläne für das Jahr geschmiedet werden, dann erleben in Einsamkeit lebende Menschen ihre schwerste Zeit. Die Telefonseelsorge bestätigt das Jahr für Jahr.
Man muss aber nicht auf die Telefonseelsorge als Notlösung setzen und auf die Politik warten, um soziale Kontakte zu pflegen und ein Miteinander zu fördern. Alle können etwas gegen die Einsamkeit tun.
Das kostet nicht viel, wie ein Video-Clip zu Weihnachten aus Nordirland zeigt: Ein älterer und erkennbar einsamer Mann mit traurigem Blick und hängenden Schultern wird spontan von einem jungen Paar zum Bierchen in den Pub eingeladen – ein emotionales Handy-Video, das Einsamkeit thematisiert.
Was die Kirchen und Pfarreien tun
Wir alle können etwas tun, um einsame Menschen in die Mitte zu holen: ein Anruf bei Angehörigen und Bekannten, von denen man weiß oder ahnt, dass sie sich „unsichtbar“ gemacht und sich zurückgezogen haben, eine Einladung und Verabredung zu etwas, was Freude bringt, oder einfach mal den Nachbarn auf der Straße fragen: Wie geht’s dir eigentlich?
Die Kirchen und Pfarreien thematisieren soziale Isolation immer wieder. Sie sind es auch, die durch Hausbesuche, Besuchsdienste und vielerlei gemeinsame Angebote eine soziale Infrastruktur schaffen, die gegen den Trend der Vereinzelung das soziale Miteinander pflegt.
Modellprojekt der Malteser
Die Bundesregierung fördert nicht von ungefähr das Modellprojekt „Miteinander Füreinander“ des Malteser-Hilfsdienstes. An etwa 110 Malteser-Standorten wird Hilfe angeboten, beispielsweise mit persönlichen Besuchen und Gesprächsangeboten. Solche Projekte müssen mehr in den Blickpunkt gerückt werden.
Auch ich habe in diesem Jahr ein ganz neues Weihnachtsgefühl. Meine Schwiegereltern, bei denen wir den Heiligen Abend traditionell verbracht haben, sind in diesem Jahr verstorben. Meine Frau und ich laden nun eine gute, alleinstehende Freundin ein, mit uns dieses Fest zu feiern. Das wird anders, aber wir freuen uns schon sehr, unsere Erfahrungen, unsere Trauer und Erinnerungen bei einem guten Essen zu teilen.