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Das Schreiben von Papst Franziskus zur Amazonas-Synode hat lebhafte Reaktionen ausgelöst. Während Kardinal Reinhard Marx es als Anstoß für weitere Diskussionen sieht, bedauerte Bischof Franz-Josef Overbeck, dass es für die Regionen weiterhin keine verheirateten Priester geben wird. Die katholische Frauengemeinschaft sieht Frauen zu Dienstleisterinnen degradiert, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken beklagt den fehlenden Mut des Papstes zu Reformen. Die Reaktionen im Überblick:
Kardinal Marx: Diskussion geht weiter
Nach Ansicht von Kardinal Reinhard Marx hat Papst Franziskus mit seinem Schreiben zur Amazonas-Synode kein Stoppschild aufgestellt für weitere Reformdebatten wie den Synodalen Weg in Deutschland. „Die Fragen der 'kirchlichen Vision' werden gut, auch für die Situation bei uns in Deutschland, studiert werden müssen. Ich sehe nicht, dass eine Diskussion abgeschlossen ist“, erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Allerdings seien die Unterschiede zwischen der Amazonas-Region und anderen Teilen der Welt zu beachten.
Zugleich verwies Marx darauf, dass das Schlussdokument der Amazonas-Synode und das jetzt veröffentlichte Papstschreiben eine Einheit darstellten und zusammen betrachtet werden müssten: „Der Papst stellt klar: Das Gesamte ist die Frucht der Synode.“ Es sei bemerkenswert, dass Franziskus die Relevanz beider Schreiben betone und ausdrücklich nicht das eine durch das andere aufhebe.
Theologe Bogner: Eine große Chance vertan
Der in Münster lebende Theologe Daniel Bogner bezeichnet das Schreiben als „Riesenenttäuschung“. Die Betonung liege auf traditionellen Geschlechterrollen und der hierarchischen Gestalt der Kirche, sagte der im schweizerischen Fribourg lehrende Professor der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Es sei eine große Chance vertan, die überkommene Lehre ein Stück weiterzuentwickeln“, so der Professor. Er gehe davon aus, dass konservative Kräfte im Vatikan gewonnen hätten. „Offenbar stand der Papst unter enormem Druck“, sagte Bogner. Der inhaltliche Anspruch von Franziskus' Pontifikat, wichtige Themen dezentral zu entscheiden, sei damit beendet. „Dabei war die Synode selbst viel mutiger und offener“, so Bogner.
Weihbischof Theising: Papst verschließt keine Türen
„Papst Franziskus verschließt keine Türen, sondern lädt zum weiteren Bedenken der vorgetragenen Anliegen ein.“ So bewertet der für den Offizialatsbezirk Oldenburg zuständige münstersche Weihbischof Wilfried Theising das nachsynodale Schreiben,. Papst Franziskus gehe es „um eine engagierte Rolle der Kirche in sozialer, ökologischer und kultureller Hinsicht“. Im Blick auf die Zukunft der Kirche treffe Franziskus keine endgültigen Entscheidungen. Vielmehr öffne er der Kirche und auch dem Synodalen Weg in Deutschland „neue und wichtige Impulse“.
KFD-Vorsitzende Wuckelt: Herber Schlag für alle Frauen
Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD) zeigt sich denn auch enttäuscht von dem Papstschreiben. „Das vorliegende Papier ist ein herber Schlag für alle Frauen, die auf ein starkes Signal zur Gleichberechtigung in der katholischen Kirche gehofft haben“, sagte die Theologin und stellvertretende kfd-Bundesvorsitzende Agnes Wuckelt am Mittwoch in Düsseldorf. Sie nannte es „unerträglich, dass die Amtskirche weiterhin Frauen gleiche Rechte abspricht und sie aus biologistischer Argumentation heraus zu Dienstleisterinnen degradiert“.
Einerseits würdige Papst Franziskus das Engagement von Frauen. Andererseits werfe er ihnen indirekt Machtgier vor, „weil die Frauen einfordern, dass ihre gepriesenen Charismen und ihr Einsatz für eine lebendige Kirche mit einer Weihe anerkannt werden“. Damit werde offenbar, dass die Frauenfrage eine Machtfrage darstelle, so Wuckelt weiter.
Erzbischof Koch: Enttäuschungen müssen Thema werden
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch sagte: „Manche werden enttäuscht sein über die Aussagen, etwa zum Zölibat oder zur Priesterweihe der Frau. Diese Enttäuschungen und die Konsequenzen daraus müssen wir auf dem Synodalen Weg zum Thema machen.“
ZdK-Präsident Sternberg: Kein Schritt nach vorn gewagt
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, sagte, das Schreiben von Papst Franziskus ermutige die Katholiken in Deutschland, ihre Reformdebatten im „Synodalen Weg, den wir in Frankfurt sehr erfolgreich begonnen haben, konsequent fortzusetzen“, sagte Sternberg. Zugleich beklagt der ZdK-Präsident: „Leider findet Franziskus nicht den Mut dazu, in den seit 50 Jahren diskutierten Fragen der Weihe verheirateter Männer und der liturgischen Kompetenzen von Frauen, echte Reformen umzusetzen.“
Nach der Synode seien die Erwartungen zu konkreten Reformschritten sehr groß gewesen, erklärte der ZdK-Präsident – „insbesondere in Bezug auf den Zugang zum priesterlichen Amt und zur Rolle der Frau“. Daher bedauere er es sehr, „dass Papst Franziskus hier in seinem Schreiben keinen Schritt nach vorne wagt“. Vielmehr bekräftige er die bestehenden Positionen der römischen Kirche.
Kirchenhistoriker Wolf: Spielräume für "viri probati"
Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf sagte, der Papst vertrete in seinen Formulierungen ein Frauenbild, „das heute kaum noch zu vermitteln ist“. Mit Blick auf eine Priesterweihe von verheirateten Männern sieht Wolf Spielräume. Es liege nun an den Bischöfen Amazoniens, dem Papst die Weihe verheirateter ständiger Diakone zu Priestern vorzuschlagen.
Bischof Overbeck: Hätte Amazonien viri probati gewünscht
Teilweise enttäuscht zeigte sich der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, als „Adveniat-Bischof“ zugleich zuständig für Lateinamerika. „Ich hätte den Gemeinden in Amazonien gewünscht, dass Papst Franziskus den Beschlüssen der Amazonassynode gefolgt wäre und – als regionale Lösung - bewährten verheirateten Männern aus dem Amazonasraum auf dem Weg einer Dispens den Zugang zur Priesterweihe als sogenannte viri probati ermöglicht hätte“, heißt es in einer Pressemitteilung. Zugleich begrüße er den dringlichen Aufruf des Papstes, weiter über die pastorale Situation im Amazonasraum zu diskutieren, sagt Overbeck. Zudem sei es wichtig, dass die Weltkirche die Anregungen zur ökologischen Umkehr, für ein verändertes Wirtschaftssystem und gegen die Ausbeutung der Schöpfung aufnehme und sich schützend vor die indigenen Völker im Amazonasraum zu stellen.
"Maria 2.0": Unerträglicher Ton und Inhalt
Die Frauenbewegung Maria 2.0 wirft der katholischen Kirche Reformunfähigkeit vor. Wer auf ein Symbol des Aufbruchs und der Erneuerung gehofft habe, „muss dieser Kirche wohl enttäuscht den Rücken kehren“, schreibt die Protestinitiative katholischer Frauen aus Münster auf ihrer Facebook-Seite. Unerträglich seien Ton und Inhalt der Passagen, die sich mit der Rolle von Frauen in der Kirche befassten, so Maria 2.0. Zwar lobe der Papst ihr Engagement in den Gemeinden, spreche dann jedoch von einem „marianischen Wesen“ der Frau, „das vor Weihe geradezu bewahrt werden muss“. Mit selbstbestimmter Teilhabe habe diese Zuweisung nichts zu tun. Sie werde jedoch mit jedem Papst, der sich in diesem Sinne äußere, fester zementiert. Die Bewegung rief dazu auf, „Anders-Orte des Glaubens“ zu schaffen im Sinne „einer geschwisterlichen Kirche, an deren Tisch alle willkommen sind“.
Erzbischof Schick: Bestätigung und Freude
Bambergs Erzbischof Ludwig Schick sieht im Papst-Schreiben „Querida Amazonia“ eine „Bestätigung und Freude“. „Manche Regierungen und Global-Player in der Wirtschaft werden dieses Schreiben als unwillkommene Mahnung abtun.“ Der Papst fordere von ihnen, ihr Streben nach Reichtum und mehr Einfluss nicht über den Schutz der Völker und der Natur zu stellen. „Sinn und Ziel des Schreibens ist: Amazonien zu erhalten.“
KFDB-Präsidentin Flachsbart: Paternalistisch und enttäuschend
Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) lobt Papst Franziskus für die Hinweise auf den "unauflöslichen Zusammenhang von ökonomie, Ökologie und sozialer Gerechtigkeit". "Wir sind dankbar, dass er ein vehementer Verteidiger der Menschenrechte ist", sagte KDFB-Präsidentin Maria Flachsbarth. Die Aussagen des Papstes über die Rolle der Frau hingegen seien "ausgesprochen paternalistisch und enttäuschend". Sie fragt: "Warum können berufene Frauen nicht mit der gleichen Sendung und Autorität das Evangelium verkünden und die Sakramente spenden wie berufene Männer?" Als gläubige Christinnen wollten die Mitglieder der KDFB "nicht aufhören, dafür zu beten und zu arbeiten".
Kardinal Müller: Dokument der Versöhnung
Kardinal Gerhard Ludwig Müller nannte das Papst-Schreiben in der „Tagespost“ ein Dokument der Versöhnung. Es könne „die versöhnende Wirkung haben, auch innerkirchliche Parteibildungen, ideologische Fixierungen und die Gefahr einer inneren Emigration oder des offenen Widerstands abzubauen“. Der Papst wolle alle Menschen guten Willens für eine positive Entwicklung der Region am Amazonas gewinnen.
Theologe Biesinger: Wut und Hoffnung
Der Tübinger Religionspädagoge Albert Biesinger hat „Wut und Hoffnung“ über das päpstliche Schreiben „Querida Amazonia“ zum Ausdruck gebrach. Obwohl er sich klare Worte für verheiratete Priester und Diakoninnen gewünscht habe, zeigte sich Biesinger am Mittwoch optimistisch, weil Franziskus das Abschlusspapier der Amazonas-Synode zu einem offiziellen Dokument gemacht habe. Dies hält Biesinger auch für eine klare Botschaft an den Synodalen Weg in Deutschland.