Wie die Tübinger Theologin ihre Argumentation begründet

„Rassisten“? Darum geht es im Streit von Oster und Rahner

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„Wer daran nichts ändern will, ist nichts anderes als ein Rassist.“ Mit diesem Satz zu Frauenrechten in der katholischen Kirche hat die Theologie-Professorin Johanna Rahner kirchenintern einen Sturm entfacht.

Eine heftige Debatte hat die Meinung der Tübinger Theologin Johanna Rahner ausgelöst, dass als Rassist betrachtet werden müsse, wer sich nicht für die Gleichberechtigung von Frauen einsetzt. Eine innerkirchliche Polemik entstand vor allem dadurch, dass der Gedanke auf die Frage zugespitzt wurde, was das für die weiterhin verweigerte Zulassung von Frauen zu kirchlichen Weiheämtern bedeutet. Zugespitzt ging es darum, ob Bischöfe, die an der katholischen Lehre festhalten, wonach nur Männer Priester sein können, letztlich Rassisten seien.

Diese Einschätzung äußerte öffentlich der Passauer Bischof Stefan Oster und beklagte sich bitter darüber. Er schrieb: „Was dann auch noch beinahe grotesk wirkt: Wir Bischöfe, die eigentlich in besonderer Verantwortung für die katholische Lehre sind und das auch feierlich versprochen haben, ermöglichen durch unsere Zustimmung die Verwendung von Kirchensteuermitteln für die Finanzierung bestimmter Medien und ermöglichen damit eine große Bühne, auf der wir selbst (ich fühle mich zumindest gemeint) als ,Rassisten' bezeichnet werden dürfen.“ Oster löste damit seinerseits eine Debatte über Wisssenschafts- und Pressefreiheit in der Kirche aus.

 

Argumentation und Bezugsquelle von Johanna Rahner

 

Der Vortrag von Johanna Rahner.

In ihrem Vortrag bei einem Frauenforum des Bistums Rottenburg-Stuttgart hatte Rahner, die Vorsitzende des Katholisch-Theologischen Fakultätentages (KThF) ist, am Samstag sieben Thesen formuliert. Eine lautet: „Wir müssen über Diskriminierung von Frauen in der Kirche sprechen und es sind nicht die Frauen, die das ändern können.“ Rahner bezog sich auf Gedanken der amerikanischen Soziologin Robin DiAngelo zum Rassismus von Weißen: Weil diese die Auseinandersetzung mit Rassenfragen den People of Color überließen, lüden sie die Verantwortung bei den Diskriminierten ab.

DiAngelo weitet diesen Ansatz auf die Gleichberechtigungsdebatte aus: „Wenn man uns lehrt, Frauen hätten 1920 das Wahlrecht erhalten, ignorieren wir, dass damals weiße Frauen uneingeschränktes Wahlrecht erhielten, weil weiße Männer es ihnen zugestanden.“ Auch Frauen, argumentiert Rahner, könnten sich in der katholischen Kirche ihre Rechte nicht selbst geben, „sie müssen uns gegeben werden“. Folglich müssten die Männer „die Frage der Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche zu ihrem Thema machen“.

 

Männer müssten „aus der Gleichgültigkeit“ herauskommen

 

Geschehe das nicht, dann ändere sich nichts, so Rahner. Männer müssten „aus der Gleichgültigkeit gegenüber ihren Privilegien und aus der damit verbundenen Komfortzone“ herauskommen. Rahners Quintessenz: „Wer daran nichts ändern will, ist nichts anderes als ein Rassist.“ Rahner sieht in dieser Frage ein Beispiel dafür, wie es um die Lernfähigkeit der Kirche zu den „demokratischen Lektionen der Moderne“ steht. Notwendig sei letztlich ein neues Kirchenrecht.

Die Debatte um die Rahner-Debatte hat sich inzwischen verzweigt. Grund sind die Äußerungen des Passauer Bischofs, der sich nicht nur über Rahners These, sondern auch über die Berichterstattung darüber beschwert hatte.

 

Kritik an Osters Folgerungen

 

Einige katholische Gruppierungen sehen deshalb die Pressefreiheit in der Kirche bedroht. Der Vorsitzende der Gesellschaft Katholischer Publizisten (GKP), Joachim Frank, erklärte: „Wer die Verbreitung unliebsamer Inhalte zum Anlass nimmt, die Finanzierung kirchlicher Medien infrage zu stellen, offenbart ein vormodernes, autoritäres und dirigistisches Verständnis von Kommunikation.“

Die Gruppe „Wir sind Kirche“ teilte mit, sie finde es „entlarvend, dass der Passauer Bischof jetzt mitten im Prozess des Synodalen Weges der katholischen Kirche in Deutschland eine Drohkulisse gegenüber andersdenkenden Theologinnen und Theologen und auch gegenüber dialogbereiten katholischen Medien aufbaut.“

 

„Unerträglicher Eingriff in die Freiheit des Denkens und Redens“

 

Auch die Reformgruppe „Maria 2.0“ kritisierte Oster und stellte sich hinter Rahner. Bischof Oster drohe katholischen Medien, die diese Diskussionen aufgreifen, indirekt mit dem Entzug der Mittel. „Dies ist ein unerträglicher Eingriff in die Freiheit des Denkens und Redens und lässt den Respekt vor der Presse- und Meinungsfreiheit in der Kirche vermissen.“

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