Vorsehungsschwester stammt aus Hopsten

Schwester Mariette: Über 60 Jahre Orden und das Leben in der Großfamilie

Anzeige

Wie schön es ist, in einer Großfamilie aufgewachsen zu sein, darüber spricht Ordensschwester Mariette aus Münster. Sie ist mit 15 Brüdern und Schwestern in Hopsten im Kreis Steinfurt groß geworden. Zur Feier ihres diamantenen Ordensjubiläums gratulierten gleich 50 Nichten und Neffen.

Als Schwester Mariette vor einiger Zeit ihr diamantenes Ordensjubiläum (60 Jahre) feierte, war die Schar der Gratulanten aus der Familie riesengroß. Rund 50 Neffen und Nichten kamen zur Gratulation nach Münster oder ließen Grüße ausrichten. „In einer Großfamilie ist immer was los. Wer hat denn schon mehrere Urgroßneffen und einen Neffen, der bald 70 Jahre alt wird?“, sagt die Ordensfrau aus der in Münster ansässigen Schwesterngemeinschaft der Göttlichen Vorsehung, kurz Vorsehungsschwestern genannt.

Die 80-jährige Schwester Mariette kann viel erzählen, wenn es um ihre Familie und ihre Kindheit geht. Denn wer ist schon mit 15 Brüdern und Schwestern aufgewachsen? Und wer hat schon bei Beisetzungen von 13 Brüdern und Schwestern Abschied nehmen müssen?

Familiäre Geborgenheit

„Das Leben in unserer Familie ist ereignisreich. Wir haben immer zusammengehalten, und das tun wir alle bis heute. Das ist ein großes Geschenk“, empfindet Schwester Mariette, für die christliches Leben und familiäre Geborgenheit praktisch in die Wiege gelegt wurde.

Schwester Mariette stammt aus der Familie August und Maria Bruns in Hopsten im Kreis Steinfurt. In der Familie Bruns wurden seinerzeit 19 Kinder geboren. Drei von ihnen sind bereits in jungen Jahren gestorben. 16 Kinder sind erwachsen geworden. Von ihnen leben nur noch drei: neben Schwester Mariette ihre Brüder Gregor und Franz.

Aufgewachsen an einer Wallfahrtskapelle

Von den 16 Kindern wurden sechs als Zwillinge geboren. Schwester Mariette, die Zweitjüngste aus der großen Schar der Kinder, ist ebenfalls ein Zwillingskind. Ihre Zwillingsschwester ist vor einiger Zeit gestorben.

Der Vater war selbstständiger Schuster. Die Familie lebte in direkter Nachbarschaft zur Wallfahrtskapelle „auf dem Breischen“, wo seit Jahrhunderten das Gnadenbild der heiligen Mutter Anna verehrt wird.

Pläuschen „auf Platt“ in Schuster-Werkstatt

„Wir sind mit der Annen-Verehrung groß geworden. Wenn zur Annen-Woche die Prozessionen aus den Nachbarorten kamen, war immer etwas los“, erinnert sich Schwester Mariette an die Zeit ihrer Kindheit in den späten 1940er und 1950er Jahren.

Viele Bauern seien mit ihren Pferdekutschen zur Werkstatt ihres Vaters gekommen, um nicht nur ihre Schuhe neu besohlen zu lassen oder Bestellungen aufzugeben, sondern auch, um ein Pläuschen „auf Platt“ zu halten und das Weltgeschehen, die Neuigkeiten aus dem Dorfleben und die Predigten der Pastöre Revue passieren zu lassen. „Wir Kinder bekamen so immer viel mit. Unser Haus stand immer offen. Es reichte ein Klopfen an die Werkstatttür. Und hier und da gab es gesellige Runden.“

Gottesdienste und Anbetungen waren selbstverständlich

An das Spielen rund um den Kapellenplatz und in der von Feldern und Wiesen geprägten Umgebung kann sich die Ordensschwester gut erinnern. Neben den Geschwistern gab es die Nachbarskinder, mit denen man auch ohne große Verabredungen spielen konnte. „Es war eine schöne Kindheit. Das kann ich wohl sagen“, sagt die Ordensfrau. Sie sei noch auf die alte Dorfschule „auf dem Breischen“ gegangen, wo man ohnehin alle Kinder aus der Bauerschaft kannte.

Die Sonntage waren Familientage im Kreis großer Runden. Der Kirchenbesuch sei selbstverständlich gewesen und auch von älteren Geschwistern nicht infrage gestellt worden. „Ich erinnere mich nicht an einen Protest gegen die Kirche. Die Gottesdienste und Anbetungsstunden gehörten einfach dazu. Es wurde auch kein Druck ausgeübt“, bemerkt Schwester Mariette.

Große Tafel an Weihnachten

Ihre Eltern seien, wie man sagen dürfe, „fromme Menschen“ gewesen, die immer für ihre Kinder dagewesen seien. „Meinem Vater lag viel an einem Zusammenhalt. Rückblickend kann ich sagen: Es ist ihm gelungen.“

Zu Weihnachten, wenn auch die aus dem Hause gegangenen größeren Kinder zu den Eltern kamen, habe es immer eine „große Tafel“ gegeben, mit allem, was dazugehöre. „Wir sangen alle die Weihnachtslieder und trugen Gedichte vor. Meine Mutter hatte immer viel gebacken und wurde bei den vielen Arbeiten im Haushalt immer von einer Schwester unterstützt.“ Als jüngste Tochter sei sie von allen verwöhnt worden. „Ich war halt die Kleine. Vielleicht bekam ich auch die meisten Geschenke.“

„Die Schokolade wurde geteilt“

Trotz der großen Anzahl an Kindern sei die Familie immer „über die Runden“ gekommen. „Durch unseren Garten hatten wir immer Obst und Gemüse“, sagt die Ordensschwester. Zuhause habe es in ihren Kinderjahren noch zwei Schweine, zwei Kühe, zehn Hühner sowie einige Gänse und Kaninchen gegeben. „Es reichte für alle. Wir waren mit dem Wenigen zufrieden. Wenn wir Kinder eine Schokolade bekamen, dann wurde sie geteilt.“

Im Lauf der Zeit seien nach und nach die älteren Geschwister aus dem Haus gezogen. Als ihre 19 Jahre ältere Schwester heiratete, war Schwester Mariette als kleines Mädchen bei der Trauung „das Engelchen“ gewesen. „So etwas vergisst man nicht. Als ich älter wurde, waren viele meiner Geschwister nicht mehr im Haus.“ Um den Altersunterschied unter den Geschwistern weiter zu verdeutlichen, sagte sie: „Ein Bruder wurde mit acht Jahren Onkel.“

Ordenseintritt 1963

Bis auf zwei Geschwister blieben alle „Bruns-Kinder“ in Hopsten oder in der näheren Umgebung. Für die Zweitjüngste begann die Zeit nach der Schule mit der Arbeit in einem Lebensmittelladen in Rheine. Wenig später arbeitete sie in einem Kindergarten in Ennigerloh im Kreis Warendorf, wo sie die Vorsehungsschwestern kennenlernte.

Als sie 20 Jahre alt war, fiel der Entschluss, in die Ordensgemeinschaft einzutreten. „Ich brauchte dafür noch die Erlaubnis meiner Eltern, da ich noch nicht volljährig war. Das war man damals erst mit 21“, erinnert sich Schwester Mariette an ihren Ordenseintritt 1963. Ganz fremd war ihr das Ordensleben ohnehin nicht: Eine Tante, eine Schwester ihres Vaters, lebte in einem Orden.

Mit dem Bus zur Profess-Feier

Ein Bruder von ihr brachte sie mit den Eltern zur Friedrichsburg, dem Sitz der Ordensgemeinschaft in Münster. „Das war ein besonderer Tag, zumal ich wusste, dass Familienbesuche und Heimatbesuche nur im Notfall gestattet waren“, erinnert sich die Ordensschwester. Acht junge Frauen seien damals in die Ordensgemeinschaft eingetreten. In der ersten Zeit habe man sich zu viert ein Zimmer geteilt.

Als 1966 die feierliche Profess anstand, hätten die Eltern für die ganze Familie – die meisten Geschwister waren längst verheiratet und hatten Kinder – einen Bus gemietet, um nach Münster zu kommen. „Ich denke, ich war die einzige, bei der die Angehörigen für die Feier der Ordensgelübde eigens einen Bus gemietet hatten.“

34 Jahre Erzieherin in Werne

Schwester Mariette machte innerhalb der Ordensgemeinschaft eine Ausbildung zur Erzieherin. 34 Jahre – von 1970 bis 2004 - arbeitete sie in einem Kindergarten in Werne im Kreis Unna. Anschließend versah sie sechs Jahre den Küsterdienst an der Herz-Jesu-Kirche in der Pfarrei St. Antonius in Recklinghausen.

Zu ihrer Familie hielt Schwester Mariette immer einen guten Kontakt. Und es sei gut gewesen, als nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil Ende der 1960er Jahre die Besuchszeiten und Heimatbesuche für Ordensangehörige gelockert worden seien, sagt Schwester Mariette.

Ausflüge in die alte Heimat

Mit Kindergarten-Gruppen aus Werne fuhr sie des Öfteren mit dem Bulli in ihre alte Heimat Hopsten oder in das benachbarte Steinbeck, um mit den Kindern Spiele zu organisieren und ein Zeltlager aufzuschlagen. „Da war es natürlich gut, wenn ich meine Geschwister traf, die mir halfen, die Ausflüge zu organisieren.“

Als Schwester Mariette ihr diamantenes Ordensjubiläum feierte, war der familiäre Zusammenhalt zu spüren. Die zwei Brüder, Schwägerinnen und Schwager, Neffen und Nichten, Großneffen und Großnichten, Urgroßneffen und Urgroßnichten – viele von ihnen kamen zur Feier nach Münster.

„Ich bin gern eine Ordensschwester“

„In der Messe haben wir alle kräftig gesungen. Die meisten meiner Verwandten kennen die Kirchenlieder, einige sind in den Gemeinden aktiv. Alle fragen, wie es mir geht, und ich antworte dann: Ich habe es in meinem Leben gut getroffen. Ich bin gern eine Ordensschwester.“

Anzeige