Video sensibilisiert für Grenzüberschreitungen - auch durch Bewohner

Sexualisierte Übergriffe in der Pflege: Wie die Caritas damit umgeht

  • Wo beginnt sexualisierte Gewalt im Altenheim und wie gehen die Einrichtungen damit um?
  • Altenheim-Chef Werner Westerkamp aus Damme erklärt die Linie in den von ihm geleiteten Häuser.
  • Und er sagt: Die Mehrzahl der Grenzverletzungen in Altenheimen gehen nicht von Pflegenden aus – sondern von Bewohnern.

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Werner Westerkamp warnt: „Es ist wichtig, dass man aufpasst und nicht eine Kultur der Grenzverletzungen entstehen lässt.“ Die könne schnell einreißen, sagt der Vorstand der Stiftung Maria Rast im oldenburgischen Damme (Kreis Vechta). Die Stiftung betreibt unter anderem zwei Altenheime.

Als konkretes Beispiel nennt Westerkamp abfälliges oder anzügliches Gerede über Bewohnerinnen oder Bewohner im Kollegenkreis, untereinander auf dem Flur oder bei einer Besprechung. Nach seiner Ansicht ist das die häufigste Form von Grenzverletzung gegenüber Altenheim-Bewohnern. Und der Sozialpädagoge lässt keine Zweifel aufkommen in dieser Frage: So etwas muss möglichst früh und konsequent unterbunden werden. Damit nicht der Eindruck entsteht, das sei völlig normal.

Früh und konsequent reagieren

Werner WesterkampWerner Westerkamp ist Stiftungsvorstand der Stiftung Maria Rast in Damme mit unter anderem zwei Altenheimen und vier Tagespflege-Standorten. | Foto: Landes-Caritasverband

Dabei bleibt der Altenheim-Chef aber Realist. „So etwas kommt natürlich mal vor“, weiß er aus Erfahrung. Ihm ist bewusst, unter welchem Stress in den Häusern oft gearbeitet werden muss. Da passiere es schon mal, dass jemand sich im Ton vergreife. „Nichtsdestotrotz darf man es nicht akzeptieren.“ Und müsse je nach Schwere mit Er- oder Abmahnung reagieren.

Körperpflege, Ankleiden, medizinische Versorgung - in Alteneinrichtungen wird ständig an der Grenze zur Intimsphäre gearbeitet. Deshalb seien Respekt und Diskretion wichtig. Und, dass bei Fehlentwicklungen schnell reagiert werde. Früh reagieren - das geschehe in Häusern der Stiftung Maria Rast auch, sagt Westerkamp. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten einen guten Blick für problematische Situationen, nicht zuletzt durch regelmäßige Präventionsschulungen. Das beruhigt den Altenheim-Chef. „Wenn man erfahrene, gute Leute im Team hat, dann werden Zwischenfälle sofort besprochen.“

Caritas-Film gibt Empfehlungen

Das Info-Video der Caritasverbände finden Sie hier.

Fehlentwicklungen vermeiden und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Hilfestellung geben – diesen Ansatz verfolgt auch der Film, den die Diözesancaritasverbände Hildesheim, Osnabrück und Rottenburg-Stuttgart sowie der Landes-Caritasverband für Oldenburg gemeinsam erstellt haben. Der 11-Minuten-Clip erklärt an einfachen Beispielen, wie mit sexuellen Grenzverletzungen und Übergriffen umzugehen ist.

Dabei geht es auch um körperliche Grenzverletzungen. Auch mit solchen Fällen habe sich seine Stiftung schon konfrontiert gesehen, sagt Werner Westerkamp. „Das sind die Fälle, die in der Regel zu einer Kündigung führen.“ Etwa, wenn Berührungen vorkamen, um sexuelle Bedürfnisse zu befriedigen.

Westerkamp: Übergriffe von Bewohnern ind häufiger

Er betont aber auch: Sexuelle Grenzverletzungen und Übergriffe gehen nicht nur vom Pflegepersonal aus. Im Gegenteil. Grenzverletzungen - insbesondere von männlichen Bewohnern - auf weibliches Pflegepersonal seien deutlich häufiger, sagt er. „So etwas kommt viel öfter vor umgekehrt“, sagt Werner Westerkamp. Eine Demenz könne das zumeist noch verstärken.

„Die Männer fassen dann einfach mal zu“, sagt der Altenheim-Chef. Für manche Mitarbeiterin sei Belästigung Alltag. Wenn erfahrene Pflegekräfte damit vielleicht noch umgehen könnten, seien Jüngere schnell überfordert. „Wir haben auch schon jüngere Kräfte wegen solcher Erfahrungen als Mitarbeiterinnen verloren“, sagt er.

Angehörige sollen vertrauen können

Auch deshalb hält Werner Westerkamp den neuen Info-Film der Caritas für wichtig und gut. Weil er Mitarbeitende im Umgang mit den verschiedenen Formen von sexuellen Übergriffen sicherer und souveräner mache. Weil sie in einer ersten Schulung lernen können, wie sie sich richtig verhalten und an wen sie sich wenden können, wenn sie selbst Opfer solcher Grenzverletzungen geworden sind. Auch als Signal an Angehörige, dass sie sich auf die menschliche Behandlung ihrer Eltern oder Großeltern in den Einrichtungen verlassen können.

Diese Einrichtungen böten in dieser Hinsicht auch Vorteile gegenüber Pflege-Situationen zu Hause. Westerkamp nennt als Beispiele die so genannte 24-Stunden-Pflege. „Dieses Modell ist in vielen Fällen sicher sehr gut“, sagt er. Aber es bleibe ein gewisses Risiko. „Weil da niemand ist, der aufpasst und kontrolliert.“ Werner Westerkamp: „In unserer Einrichtung geben wir in der Regel aufeinander acht.“

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