Renommierter Moraltheologe starb überraschend mit 67 Jahren

Theologe Eberhard Schockenhoff ist tot

Der renommierte Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff ist tot. Er starb im Alter von 67 Jahren. Der Theologe machte sich vor allem in Fragen der Medizinetheik und der Sexualmoral einen Namen. 2001 wurde er in den Nationalen Ethikrat berufen.

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Der renommierte Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff ist tot. Er starb am Samstag im Alter von 67 Jahren an den Folgen eines Unfalls. Das erfuhr "Kirche-und-Leben.de" aus dem Umfeld der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Freiburg, an der Schockenhoff seit 1994 lehrte. Er galt innerhalb der Kirche und der theologischen Wissenschaft wie auch im gesellschaftlichen Dialog als einer der profiliertesten Theologen in Deutschland.

Der Priester und Wissenschaftler machte sich vor allem in medizinethischen Fragen etwa zur Stammzellenforschung, der Präimplantationsdiagnostik und der Gentechnik einen Namen. 2001 wurde er in den Nationalen Ethikrat berufen, ebenso 2008 bis 2016 in das Nachfolgegremium Deutscher Ethikrat, dessen stellvertretender Vorsitzender er bis 2012 war.

Eberhard Schockenhoff wurde 1953 in Stuttgart geboren. 1978 empfing er die Priesterweihe. Von 1985 bis 1988 war er Assistent von Kardinal Walter Kasper, der damals Professor in Tübingen war. 1990 wurde Schockenhoff Professor für Moraltheologie an der Universität Regensburg, anschließend an der Universität Freiburg.

 

Schockenhoff zu Sexualmoral und Organspende

 

Bei der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz 2019 in Lingen forderte er die Bischöfe zu einer Reform der kirchlichen Sexualmoral auf etwa hinsichtlich Verhütungsmitteln, Sex vor der Ehe und Homosexualität. Der Glaubwürdigkeitsverlust der geltenden katholischen Sexualmoral sei nicht durch die gegenwärtige Missbrauchskrise verursacht worden sei, so Schockenhoff. Vielmehr habe die Kirche die Erkenntnisse der zeitgenössischen Wissenschaften nicht in ihre Sexualethik integriert und beziehe sich bis heute auf die „vergiftete Sicht der Sexualität“, die der Kirchenvater Augustinus (354-430) entworfen habe.

Beim Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland gehörte Schockenhoff dem Forum über Sexualmoral an.

Bei einer Tagung in der Akademie Stapelfeld (Cloppenburg) zur Organspende mahnte Schockenhoff im vergangenen Jahr zur Beibehaltung der Freiwilligkeit der Spende. Das Wissen, einem anderen Menschen mit einer Organspende die erneute Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglichen zu können, erfordere eine ernsthafte Prüfung des Gewissens.

 

Bätzing: Kein Lehrer mit erhobenem Zeigefinger

 

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hob Schockenhoffs „visionäre Kraft in seinem theologischen Forschen und Reden ebenso wie seine bemerkenswerte analytische Brillanz“ hervor. ZdK-Präsident Thomas Sternberg brachte „hohe Wertschätzung und tief empfundenen Dank“ zum Ausdruck.

Bätzing betonte, Schockenhoff habe nie mit einem erhobenen Zeigefinger gelehrt oder in Verbotskategorien gedacht. Der Bischof bezeichnete Schockenhoffs wissenschaftliches Gesamtwerk „als eine menschendienliche Moraltheologie“. Auch Sternberg erklärte, Schockenhoff habe eine zeitgerechte Sexualmoral entwickelt, „die von den Menschen verstanden wurde“. Schockenhoffs Denken sei in der Gegenwart verankert, aber nicht gegen die Traditionen der Kirche gerichtet gewesen.

 

Rahner: Katastrophe für Synodalen Weg

 

Die Vorsitzende des Katholisch-Theologischen Fakultätentags, Johanna Rahner, erklärte, Schockenhoffs Tod sei nicht nur ein großer Verlust für die wissenschaftliche Theologie, sondern für die Gesellschaft insgesamt. In der katholischen Ethik habe der Theologe sehr viele Türen aufgestoßen und die katholische Sexualmoral vorangebracht. Für den Synodalen Weg, bei dem Schockenhoff sich im Forum Sexualität engagiert hatte, sei dessen Tod eine Katastrophe.

Als exzellenten Wissenschaftler, dessen Argumente in Politik und Gesellschaft Gehör fanden, hat der Freiburger Theologe Magnus Striet seinen Kollegen Eberhard Schockenhoff gewürdigt. Dessen Stärke sei es etwa gewesen, stets neugierig für neue gesellschaftliche und wissenschaftliche Entwicklungen zu bleiben und begründete Kritik oder neue Argumente für sein Denken zu nutzen, so Striet. „Auch seine Haltung, wonach Theologie nie abstrakte Debatte, sondern eine menschennahe Theologie sein soll, wird bleiben.“

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) würdigte Schockenhoff als einflussreichen Theologen. Dessen Beiträge zu kirchlichen und gesellschaftlichen Debatten seien von „visionären Ideen“ geprägt.

 

Fürst: Authentizität vor politischen Interessen

 

Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger äußerte sich betroffen. Schockenhoff sei der Erzdiözese in vielfältiger Weise verbunden gewesen. „Die Erzdiözese Freiburg und die Katholische Fakultät sind ihm sehr zu Dank verpflichtet. Wir verlieren mit ihm einen engagierten sowie geschätzten Theologen und Priester.“

Der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst nannte Schockenhoff einen der profiliertesten Moraltheologen und Sozialethiker. Er habe den gesellschaftlichen Diskurs in bio- und medizinethischen Fragen beeinflusst. Fürst würdigte den Rottenburger Diözesanpriester als Priester und Wissenschaftler, „für den Ehrlichkeit und Authentizität und die Frage des Gewissens stets Vorrang vor wirtschaftlichen oder politischen Interessen hatten“.

UPDATE: Würdigungen Bischof Georg Bätzing und Thomas Sternberg (19.07.2020, 13:15, mn)
UPDATE: Würdigungen Rahner, Kretschmann, Burger und Fürst (20.07.2020, 10:43, mn)
UPDATE: Würdigung Striet (20.07.2020, 12:00, mn)

Beisetzung am 24. Juli
Der Trauergottesdienst für den am Wochenende verstorbenen Theologen Eberhard Schockenhoff findet am Freitag im Freiburger Münster statt. Das Requiem beginnt um 16.00 Uhr. Wegen der Corona-Auflagen ist die Zahl der Gottesdienstbesucher auf knapp 200 begrenzt. Beigesetzt wird Schockenhoff im engsten Familien- und Freundeskreis. | 21.07.2020, 13.30, KNA

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