Generalsekretär Austen möchte Positives in der Kirche hervorheben

Trotz Krise: Bonifatiuswerk-Chef erlebt in Diaspora viel Ermutigendes

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1.350 Jahre ist Bonifatius, Apostel der Deutschen, nun tot. Hat der große Missionar den Christen in Deutschland noch etwas zu sagen? Wollen sich die Kirchen überhaupt noch zu einem missionarischen Selbstverständnis inspirieren lassen? Nach einer Diskussion in der Katholischen Akademie Stapelfeld mit Georg Austen hat Kirche-und-Leben.de den Generalsekretär des Bonifatiuswerks um Antworten gebeten.

Herr Austen, Sie haben in Stapelfeld über den sogenannten Apostel der Deutschen gesprochen, den heiligen Bonifatius. Bonifatius hat, so wird berichtet, die Axt an eine Eiche gelegt, die den heidnischen Friesen heilig war. Wenn man die Krise der Kirche in Deutschland betrachtet: Legt sie mit ihrem Auftreten zurzeit nicht manchmal selbst die Axt an ihre Wurzeln?

Ja, wir legen die Axt an unsere Kirche, auch in Deutschland. Wenn wir nicht mehr draußen zeigen, was wir drinnen glauben, wenn Reformstau und Missbrauch in dieser belasteten Zeit das Evangelium verdunkeln, wenn wir als Christen und Christinnen nicht mehr auskunftsfähig sind über die Inhalte unseres Glaubens. Die Axt wird spürbar, wenn unser caritatives Handeln nicht mehr aus den Wurzeln einer lebendigen Gottesbeziehung gespeist wird und umgekehrt. Die Axt wird spürbar, wenn Strukturen und Machtfragen auf allen Ebenen in einer nicht selten verbürgerlicht und müde wirkenden Kirche wichtiger sind als die vertrauensvolle Beziehung zu den Lebenswelten der Menschen.

Ein hartes Urteil.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir nach innen implodieren und nur noch die Defizite nach außen tragen. Das Positive, das zweifelsohne ebenfalls in und durch unsere Kirche geschieht, kommt kaum noch vor – auch in kirchlichen Medien. Ebenfalls davon zu berichten, soll nicht von den Hausaufgaben entbinden, die derzeit in der Krisenbewältigung angegangen werden müssen.

Wie kann die Kirche unter diesen Bedingungen missionarisch wirken?

Wir werden missionarisch, wenn Menschen auch außerhalb der Kirche sehen, dass unser Reden und Tun authentisch sind, auch mit Fehlern und mit Schuld. Mindestens genauso wichtig ist die wirkliche Seelsorge, die unsere Glaubensbrüder und -schwestern existenziell berührt. Ich erlebe gerade auch in der Diaspora viel Engagement und Ermutigendes als Glaubenszeugnis.

Das Bonifatiuswerk hat sich der Hilfe von Christen in der Minderheit verschrieben, in Nord- und Ostdeutschland, in Nordeuropa und dem Baltikum. Inzwischen ist aber auch weniger als die Hälfte der Deutschen überhaupt noch ein Christ. Muss das Bonifatiuswerk vielleicht seinen Blickwinkel erweitern?

Das Damoklesschwert, dass die Christen in Deutschland unter die 50-Prozent-Grenze der Bevölkerung rutschen, ist uns seit Jahren bekannt und nun Realität – das wissen wir schon längst und es ist auch schmerzhaft. Aber was heißt das? Wir sind dann weiterhin mehr als 40 Millionen offiziell registrierter Christinnen und Christen in unserem Land. Welche Power könnte dahinterstecken, wenn wir nicht bei der Nabelschau stehen blieben, sondern jede und jeder in christlichem Geist die Welt gestaltet und auch persönlich Halt sowie Orientierung aus dem Glauben schöpfen könnte?

Wie handelt da das Bonifatiuswerk?

Das Bonifatiuswerk hat schon längst den Blick geweitet. Wir sehen nicht nur eine zahlenmäßige Diaspora, sondern eine Glaubensdiaspora auch in traditionell katholisch geprägten Gebieten. Unter anderem fördern und unterstützen wir deshalb innovative und kreative Projekte in dem Programm „Räume des Glaubens“ in ganz Deutschland. Wir unterstützen missionarische Personalstellen und haben ein sehr erfolgreiches Praktikantenprogramm, in dem junge Menschen im sozialen Einsatz ihren Blick weiten für die unterschiedlichen Gesichter unserer Kirche. Wir intensivieren die ökumenische Verbundenheit auch in Regionen, in denen mehr als 80 Prozent keiner christlichen Konfession angehören. Die Diasporasituation kann weder glorifiziert werden, noch ist sie ein Schreckgespenst. In diese Situation sind wir von Gott gestellt. Wir sind berufen, selbstbewusst, in Zuversicht und mit Freude am Glauben – wie Bonifatius – die Frohe Botschaft zeitgerecht in die Welt zu bringen.

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