Einige bleiben lieber draußen

Unterkunft bei Kälte: Obdachlose mit Tieren haben zusätzliches Problem

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Bei klirrender Kälte muss in Münster niemand ohne Dach über dem Kopf übernachten, sagt Thomas Mühlbauer vom Haus der Wohnungslosenhilfe. Indes: Es gibt, trotz aller Gefahren, auch in diesen Tagen Menschen, die es bevorzugen, nachts draußen zu bleiben.

Thomas Mühlbauer kann nur unterstreichen, was der Berliner Obdachlosenseelsorger Wolfgang Willsch gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagt: „Die Temperaturen sind für Menschen, die auf der Straße leben, zurzeit lebensgefährlich“. Wie der Berliner Seelsorger empfiehlt auch der Bereichsleiter im von der Bischof-Hermann-Stiftung getragenen Haus der Wohnungslosenhilfe in Münster im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“: „Sprechen Sie Obdachlose an und fordern Sie sie auf, schnell eine Kältehilfe-Einrichtung aufzusuchen.“

Natürlich weiß Mühlbauer, dass es für manchen das Überschreiten einer Hemmschwelle darstellt. Aber: Wenn man sich dazu einmal überwunden habe, mache man oft positive Erfahrungen. Indes müsse niemand in einen längeren Dialog treten. Selbst wenn man das nicht könne, so solle man Menschen, denen es offenkundig nicht gut gehe, auf keinen Fall ihrem Schicksal überlassen, sondern im Zweifel den Notruf (Polizei 110, Rettungsdienst 112) wählen. Dann kommt professionelle Hilfe. 

Bürger in Münster gegenüber Wohnungslosen wachsam

Eine Gleichgültigkeit der Menschen gegenüber der Situation der Obdachlosen stellt der Sozialarbeiter zum Glück nicht fest. Auch im Haus der Wohnungslosenhilfe melden sich in diesen Tagen Bürger, die darüber informieren, dass sie im Stadtgebiet Menschen beobachtet haben, die vielleicht Hilfe brauchen. Da werde dann etwa gesagt, auf dieser oder jener Bank im Südpark habe man jemanden gesehen, dessen Zustand eventuell bedenklich sei. „Oft wissen wir anhand der Beschreibungen und des angegebenen Ortes schon, um wen es sich handelt“, sagt Mühlbauer. Aber nicht in jedem Fall. Sein Team schaut so schnell wie möglich nach den Menschen, aber wenn es offenkundig eilt, sind natürlich Rettungsdienst oder Polizei schneller vor Ort.

Es gebe in diesen Tagen genug Übernachtungsmöglichkeiten für Wohnungslose in Münster, sagt Mühlbauer. Doch es gibt auch Menschen, die selbst bei diesen Temperaturen bevorzugen, die Nächte im Freien zu verbringen. Menschen, die befürchten, in der Einrichtung bestohlen zu werden, anderweitig schlechte Erfahrungen oder eine Psychose haben und sich nicht in geschlossenen Räumen aufhalten können. Auch das gilt es zu respektieren, auch wenn es bei dieser Kälte schwerfällt. Mühlbauer hat einen Mann vor Augen, der in einem Waldstück bei Hiltrup lebt und dort auch jetzt übernachtet. Und nein, er versprühe nicht gerade Dankbarkeit, wenn professionelle Helfer nach ihm schauten. Dennoch tun sie es natürlich.

„Versorgungslücke“ bei Menschen mit Tieren

Eine „Versorgungslücke“, sagt der Fachmann, bestehe bei den Wohnungslosen, die einen Hund oder ein anderes Tier als Gefährten haben. Das seien zwar weniger, als man vielleicht glauben könnte. „Als ich anfing, war mein Klischee eines Obdachlosen ein älterer Mann mit Bart, Parka, einer Pulle Korn – und einem Hund“, sagt Mühlbauer. Längst weiß er, dass das eben nur ein Klischee ist und die Gesichter der Obdachlosigkeit vielgestaltiger sind. Aber diejenigen, die tatsächlich zum Beispiel einen Hund haben, dürfen aufgrund des Infektionsschutzgesetzes nicht in die Einrichtungen – das ist allgemein im Land so und keine Münsteraner Besonderheit. „Es gibt Städte, die haben vermeintliche Lösungen gefunden, etwa in Form von Hundeboxen.“ Aber die stünden noch nicht einmal in den Einrichtungen, und so sei das, worum es den Obdachlosen gehe, nicht gegeben: die Nähe zum geliebten Tier.

Grundsätzlich sagt Mühlbauer: Viele der Probleme würden gar nicht existieren, wäre die Lage auf dem Wohnungsmarkt nicht so angespannt. Und noch eines: Viele haben die Obdachlosen nur auf dem Schirm, wenn es sehr kalt ist. Aufgrund des Klimawandels wird aber auch extreme Hitze zunehmend zum Problem. Das „Team Wetterschutz“, zu dem neben der Stadt und anderen Akteuren auch Mühlbauers Einrichtung gehört, hat im vergangenen Sommer Wasser, Sonnencreme und Schirmmützen an Betroffene verteilt.

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