Egbert Schlotmann bietet spirituelle Touren an

Wangerooges Inselpfarrer ist jetzt diplomierter Wattführer

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Er darf künftig Menschen durch Matsch und Schlick im Wangerooger Watt führen. Aber Egbert Schlotmann will ihnen nicht bloß Wattwürmer zeigen. Sondern: Der Inselpfarrer will sein neues Wissen und seine neuen Möglichkeiten in seine spirituelle Arbeit einbringen.

Er hat eine Menge dazugelernt. Zum Beispiel über die Vielzahl verschiedener Tiere, die man auf den ersten Blick nicht sehen kann, die sich aber zu Millionen im Watt tummeln. Rund 10.000 verschiedene Arten sollen es nach Schätzungen von Biologen sein. Und auch wenn er schon mehr als sieben Jahre auf der Insel lebt – von den meisten hatte Egbert Schlotmann vorher noch nie gehört. „Den Meerstrandwegerich-Gallrüsselkäfer zum Beispiel kannte ich überhaupt nicht.“

Bis vor kurzem jedenfalls. Denn der Pfarrer der St.-Willehad-Pfarrei auf Wangerooge, der einzigen Nordseeinsel im Bistum Münster, hat jetzt eine Prüfung abgelegt, die ihn seither als Experten auf einem weiteren Fachgebiet ausweist: zum staatlich geprüften Wattführer im Nationalpark Wattenmeer. Als erster katholischer Priester ist er seither einer von vier Wattführern auf der Insel. Und er will sein neues Wissen besonders für seine Arbeit als Seelsorger nutzen.

Biologische Zusammenhänge erstaunen

Ob Wattwürmer, Wetterkunde oder Wasser – der Inselpfarrer weiß jetzt noch mehr über das Weltnaturerbe Wattenmeer. Zwar kannte er vieles schon, aber eben längst nicht alles. Manche biologischen Zusammenhänge etwa haben ihn ins Staunen versetzt.

Egbert Schlotmann erklärt: „Im Watt ist ja alles eng miteinander verwoben und voneinander abhängig.“ Er weiß jetzt etwa von rund 20 Insektenarten, die nur dank einer einzigen Pflanzenart existieren können. Und die kommt weltweit ausschließlich hier im Watt der Nordsee vor: die Strandastern auf den Salzwiesen.

Spirituelle Wattführungen ab Sommer

Im Wattenmeer sollen sich rund 10.000 Tierarten tummeln. | Foto: Michael Rottmann
Im Wattenmeer sollen sich rund 10.000 Tierarten tummeln. | Foto: Michael Rottmann

Das neue Wissen um solche und weitere Zusammenhänge soll ihm künftig auch bei seiner Arbeit als Seelsorger und Geistlicher Begleiter nützen: bei spirituellen Wattwanderungen, die er ab diesem Sommer anbieten will. Auf solche speziellen Angebote will er sich als Wattführer konzentrieren.

Zwar würde er ausnahmsweise auch mal für eine normale Touristenführung einspringen, sagt Egbert Schlotmann, aber nicht regelmäßig. „Ich habe ja andere Aufgaben.“ Denn bei allem Staunen über Biologie und Erde und Wetter kam es Egbert Schlotmann bei seiner Ausbildung zum Wattführer von Anfang an auf etwas anderes an.

Verbindungen zwischen Natur und Spiritualität

Informationen zur Urlauberseelsorge sind auf der Webseite der Pfarrei St. Willehad Wangerooge zu finden.

„Mein Ziel ist nicht so sehr, Touristen die Biologie des Wattenmeers zu erklären. Sondern: Ich möchte Einzelnen oder Gruppen zeigen, wie wir das, was wir dort entdecken, mit der eigenen Spiritualität in Verbindung bringen können.“ Zum Beispiel Gästen, die im Haus Ansgar Exerzitien machen.

Was an der Natur lässt sich mit Spiritualität in Verbindung bringen? Woran denkt er da? „Der Blick in die Weite zum Beispiel“, sagt Egbert Schlotmann, als Denkanstoß für das Nachdenken über sich selbst. Oder das Watt als Kinderstube der Tiere. „Schollen, Heringe oder Seezungen werden dort groß.“ Daraus ließen sich in Gesprächen Fragen nach der eigenen Kindheit ableiten: „Wo und wie bin ich selbst eigentlich groß geworden? Wovon habe ich mich ernähren können?“

Mit Rettungsdecke, Kompass und Seil unterwegs

Im Sommer auch schon mal barfuß, im Winter eher mit festem Schuhwerk oder Stiefeln wird Egbert Schlotmann im Watt unterwegs sein. | Foto. privat
Im Sommer auch schon mal barfuß oder im Winter eher mit festem Schuhwerk oder Stiefeln wird Egbert Schlotmann im Watt unterwegs sein. | Foto: privat

Auch für die Urlauberseelsorge in der Feriensaison kann Egbert Schlotmann als Wattführer neue Angebote machen. „Aber auch da will ich mehr, als nur Wattwürmer anschauen.“ Sondern zum Beispiel an Herzmuscheln, die man im Watt überall finde, tiefergehende Zusammenhänge aufzeigen. „Wenn man zwei dieser Muscheln zusammenlegt, sehen sie aus wie ein Herz. Und das kann ein Bild sein, wenn es darum geht, auf das eigene Innere zu schauen und darauf, was die Lebensweise der Muscheln einem sagen können.“

Bei den Wattwanderungen wird er je nach Jahreszeit barfuß oder in Schuhen oder Stiefeln unterwegs sein. „Wegen der scharfen Kanten der Austernschalen ist es zum Beispiel im Winter gut, wenn man Schuhwerk trägt.“ Einfach so losmarschieren kann ein Wattführer nicht. Kompass, Rettungsseil, Rettungsdecke, Erste-Hilfe-Ausrüstung, Fernglas und ein Notsignalmittel zum Beispiel hat er immer dabei.

Egbert Schlotmann weiß, wie gefährlich eine nahende Flut oder aufziehender Seenebel werden können. „Ich habe Respekt davor, würde aber mit meinen Gruppen oder Begleitern auch nur kleinere Touren machen und nicht so weit ins Watt gehen, dass das wirklich gefährlich werden könnte.“ Das sei der Vorteil beim inselnahen Watt im Süden der Insel, auf die seine Wattführer-Lizenz beschränkt ist. „Man ist nur in einem internen Bereich unterwegs. Weite Überquerungen, etwa rüber aufs Festland, sind gar nicht erlaubt.“

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