Thorsten Schmölzing zur Aufgabe von Pfarreien

Was Kirche gegen Einsamkeit und soziale Isolation leisten kann

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In unserer Gesellschaft ist Einsamkeit laut einer Studie zum „Massenphänomen“ geworden. Sowohl die Kirchengemeinde als auch jeder für sich sollte helfen, Menschen aus der Isolation zu helfen, sagt Pfarrer Thorsten Schmölzing in seinem Gast-Kommentar.

Einsamkeit ist unter den Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen ein weitverbreitetes Gefühl. Dies hat eine Studie belegt, die im Auftrag der Landesregierung an der Ruhr-Universität Bochum erarbeitet wurde.

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bezeichnete es bei der Präsentation der Studie als „Massenphänomen“, dass sich 70 Prozent aller jungen Menschen zwischen 16 bis 20 Jahren schon einmal einsam gefühlt haben. Nachdem der Fokus der Einsamkeitsforschung lange auf Erwachsenen lag, ist nun belegt: Über alle Altersgrenzen hinweg leiden in unserer Gesellschaft viele Menschen daran, sozial nicht eingebunden zu sein.

Geldmangel als Einsamkeits-Treiber

In der Jugendstudie wird beschrieben, ein Grund für das Einsamkeitserleben bei jungen Menschen liege darin, dass sie ihre Freizeit häufig ohne andere verbringen – etwa vor dem Computer – und weniger mit Sport oder in Vereinen.

Diese Erkenntnis legt nahe, Einsamkeit zu individualisieren und die Verantwortung ausschließlich bei denen zu lassen, die sich einsam fühlen. Dabei würde übersehen, was die Studie auch herausstellt: Ein wichtiger Treiber für Einsamkeit ist Geldmangel; je geringer die finanziellen Mittel, desto größer die Einsamkeit.

Soziale Isolation als Phänomen

Der Autor
Thorsten Schmölzing ist Leitender Pfarrer in der Pfarrei St. Gudula in Rhede.

Bei der Suche nach Antworten darauf, welche Konsequenzen sich aus der neu aufgelegten Studie ergeben, lohnt es sich, einen Unterschied zu machen zwischen dem persönlichen Gefühl von Einsamkeit auf der einen Seite und sozialer Isolation auf der anderen Seite.

Letztere ist ein gesellschaftliches Phänomen und ist offenbar in vielen Fällen eine Bedingung für das innere Empfinden von Einsamkeit. Bei der Veröffentlichung der Studie hat Ministerpräsident Hendrik Wüst angekündigt, seine Landesregierung werde gegen Einsamkeit vorgehen.

Kirche muss Einbindung anbieten

Es kann eine Aufgabe der Kirche sein, in dieses politische Bemühen immer wieder einzuspielen, dass es vor allem gesellschaftliche Faktoren sind, die dazu führen, dass Jugendliche wie Erwachsene von sozialer Teilhabe ausgegrenzt sind. Gleichzeitig dürfen sich Verantwortliche in Pfarreien und Verbänden fragen, welche Hürden sie im Gemeindeleben aufstellen, sodass Menschen, die sich mehr soziale Einbindung wünschen, diese im kirchlichen Leben nicht finden.

Auf persönlicher Ebene können wir alle etwas gegen Einsamkeit tun, indem wir mit offenen Augen und geöffnetem Herzen durch den Alltag gehen, den Menschen in unserem Umfeld Aufmerksamkeit schenken und sie einfach mal fragen: Wie geht’s dir eigentlich?

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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