Ahlener „Warenkorb“-Team sieht sozialen Frieden in Gefahr

Hohe Nachfrage, geringes Angebot, Kundenfrust – die Caritas am Limit

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Der soziale Frieden ist in Gefahr. Da sind sich die Verantwortlichen des Caritasverbands Ahlen-Drensteinfurt-Sendenhorst sicher. Sie mussten das Angebot der Lebensmittelausgabe begrenzen und bekommen den Frust von Kunden ab. Von der Politik erwarten die Engagierten nicht viel.

Hermann Wetterkamp arbeitet seit 30 Jahren für den Caritasverband Ahlen-Drensteinfurt-Sendenhorst. Aber an so eine politische und gesellschaftliche Gemengelage wie aktuell kann sich der Fachdienstleiter für existenzielle Hilfen nicht erinnern. „Der soziale Frieden ist in Gefahr“, meint Wetterkamp bei der Vorstellung des Jahresberichtes 2021/2022 für das Sozialkaufhaus „Warenkorb“.

Viele Menschen kämen jetzt schon kaum über die Runden, sagt der Caritas-Experte vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um Leistungskürzungen für Migranten. Denn immer mehr bedürftige Menschen stehen Schlange an der Zeppelinstraße in Ahlen, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen.

Caritas brechen die Spenderwaren weg 

Nach zwei herausfordernden Corona-Jahren mit zeitweiliger Schließung des Sozialkaufhauses sind die Probleme für die Koordinatorin Lisa Wieland und ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter nicht kleiner geworden. „Es gib eine hohe Nachfrage und ein geringeres Angebot“, schildert Wetterkamp die Entwicklung, ausgelöst durch eine hohe Inflation, eine gestiegene Armut, den Krieg in der Ukraine und einen Rückgang der gespendeten Lebensmittel.

Viele Geschäfte seien zudem eigene Wege der Abfallvermeidung gegangen. Außerdem würden seit einigen Monaten in Bäckereien und Discountern „Rettertüten“ gepackt und für einen Pauschalpreis gegen Ende der Ladenöffnungszeit abgegeben. Deshalb sei ein großer Teil der Spenderwaren weggebrochen. Deshalb hat die Caritas im November 2022 die Reißleine gezogen und vorübergehend keine neuen Kundenkarten mehr ausgegeben. Bereits im Juni 2022 wurde die Einkaufsregelung von zweimal auf einmal wöchentlich begrenzt. „Damit haben wir uns sehr schwergetan“, so Wetterkamp.

Für Neukunden reicht es beim „Warenkorb“ nicht

„Den Frust der Kunden haben die Ehrenamtlichen abbekommen“, berichtet Lisa Wieland. Vor dem Eingang hätten sich sogar Kunden gestritten. „Wir sind auf dem Zahnfleisch gegangen“, ergänzt Ulla Ebeling. Dass der Betrieb im „Warenkorb“ trotzdem aufrechterhalten werden konnte, sei zum einen den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und zum anderen vielen öffentlichen und privaten Spenden zu verdanken. Dazu gehören zum einen die katholischen Kirchen, die muslimische Ditib-Gemeinde, aber auch Privatleute, Schulen und Firmen.

Damit habe man den Rückgang bei den Lebensmittelspenden zwar auffangen können, aber für Neukunden reichte es trotzdem nicht. 80 bis 100 Bedürftige kommen pro Woche zum Sozialkaufhaus und können mit einem geringen finanziellen Obolus Lebensmittel einkaufen. 331 Kundenkarten wurden laut Hermann Wetterkamp im Jahr 2022 ausgestellt. Vor allem der Anteil von ukrainischen Flüchtlingen sei gestiegen.

Zweifel an Vorschlägen aus der Politik

Bei besonderen Notlagen stelle die Caritas Gutscheine für einen einmaligen Einkauf aus. „Da hat man drei Kinder und nichts zu essen“, sagt Ulla Ebeling. Für die Zukunft sieht Hermann Wetterkamp weiter schwarz. „Die Zeiten werden nicht besser. Die Not wird größer. Aus diesem Dilemma kommen wir nicht raus“, ist sich der Caritas-Fachdienstleiter sicher. Nicht nur die Nachfrage nach Lebensmitteln steige, auch die Lage am Wohnungsmarkt sei dramatisch. Es kämen immer mehr wohnungssuchende Menschen auf die Caritas zu. Aber das Angebot sei begrenzt, auch weil die Politik in den vergangenen zehn Jahren den sozialen Wohnungsbau sträflich vernachlässigt habe. Wetterkamp bedauert, dass diese und andere Probleme von bestimmter Seite populistisch verkürzt würden. Ein großes Fragezeichen steht für Wetterkamp hinter den Vorschlägen in der Asyl- und Migrationsdebatte. Er bezweifelt, dass weniger Menschen kommen.

Bei allen Problemen gibt es im Alltag der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im „Warenkorb“ auch immer wieder kleine Lichtblicke. Regelmäßig schickt eine ukrainische Lehrerin und Kundin den Ehrenamtlichen Dankeskarten und macht denen damit eine große Freude. Die Postkarten motivierten zum Durchhalten und Weitermachen.

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