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Die Corona-Pandemie lässt viele andere Krankheiten in der Öffentlichkeit in den Hintergrund rücken. So spielt Aids im Bewusstsein vieler Menschen in Deutschland nur noch eine untergeordnete Rolle. Nachdem die Kirche in den 1980er Jahren von einer Heimsuchung Gottes (Zitat Kardinal Höffner) sprach, ist es inzwischen möglich, an einem christlichen Krankenhaus eine Immunschwäche-Ambulanz für Aids-Patienten zu etablieren. Welche Fortschritte in der Behandlung gemacht wurden und warum Aufklärung weiterhin wichtig ist, erklärt Markus Unnewehr, Chefarzt der Infektiologie an der St.-Barbara-Klinik in Hamm-Heessen im Interview mit „Kirche-und-Leben.de“ zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember.
Herr Unnewehr, brauchen wir weiter den Welt-Aids-Tag?
Ja, auf jeden Fall. Wir können auf der einen Seite die Krankheit inzwischen sehr gut behandeln. Auf der anderen Seite haben wir in Deutschland mehr als 80.000 Menschen, die mit dem HI-Virus infiziert sind. Und jedes Jahr kommen einige Tausend Neuinfektionen dazu. Weltweit sprechen wir weiterhin von einer Pandemie. Deshalb wollen wir am 1. Dezember die Aufmerksamkeit auf Aids lenken.
Sie sagen, dass es enorme Fortschritte bei der Behandlung von Patienten gibt. Welche denn?
Als Aids in den 1980er Jahren als Krankheit aufkam, sprachen die Mediziner zunächst über die palliative Behandlung von Patienten. Sehr viele Menschen starben. Erste Medikamente blieben erfolglos. In den 1990er Jahren kam der Durchbruch in Sachen Lebenserwartung und Lebensqualität. Mehr als 90 Prozent der Patienten können heute mit Medikamenten gut behandelt werden und führen ein normales Leben in Sachen Alltag, Arbeit und Liebesleben.
Gibt es auch eine Kehrseite des Erfolgs?
Markus Unnewehr ist Chefarzt der Klinik für Pneumologie an der St.-Barbara-Klinik in Hamm-Heessen. | Foto: St.-Barbara-Klinik
Ja. Für viele Menschen haben HIV und Aids den Schrecken verloren. Deshalb gehen einige Menschen sorgloser mit dem Thema um. Wissen um die Infektion und die Erkrankung geht in der Gesellschaft verloren. Das HI-Virus übertragt sich durch Kontakt zu infiziertem Blut und oftmals beim Geschlechtsverkehr. Hier ist Prävention gut möglich.
Wann ist Aids endlich heilbar?
Wir haben zwar bei der Behandlung der Erkrankung große Fortschritte gemacht. Aber heilbar ist sie noch immer nicht. Da zeichnet sich auch nicht ab, dass es zum Beispiel in fünf Jahren so weit sein könnte.
Stichwort Behandlung. Sie leiten an der St.-Barbara-Klinik in Hamm-Heessen die 2020 eingerichtete Immunschwäche-Ambulanz. Wen behandeln Sie dort?
In erster Linie sind das HIV-Patienten. Wenn die Diagnose HIV-Infektion oder Aids früh gestellt wird, stimmen wir die individuelle Behandlung mit den Patienten ab. Dann sind viele Folgetermine fast schon langweilig, da die Medikamente so gut helfen.
Ein Experten-Tipp zum Schluss: Wenn jemand befürchtet, man könnte sich mit HIV infiziert haben, was ist zu tun?
Man sollte die Ruhe bewahren und einen Test machen. Der ist kostenlos möglich bei den Aidshilfen, die bundesweit vertreten sind, und bei den Gesundheitsämtern. Danach hat man Gewissheit und kann sich im Falle einer Infektion behandeln lassen. Oder man kauft sich zum Beispiel in einer Apotheke einen Test, den man selbst durchführen kann.
Welt-Aids-Tag am 1. Dezember
Die St.-Barbara-Klinik und die Aidshilfe Hamm laden zum Online-Vortrag am Mittwoch, 1. Dezember, um16 Uhr ein. Es spricht unter anderem Chefarzt Markus Unnewehr zum Thema „Leben mit HIV. Anders als Du denkst“. Der Teilnahme-Link ist auf der Webseite der St.-Barbara-Klinik abrufbar.