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Der Junge fiel Heinrich Blömer auf. An der Hauptschule Neuenkirchen (Kreis Vechta) unterrichtete der junge Lehrer Anfang der 1990er Jahre in der 7. Klasse. Ein Junge schwieg anfangs hartnäckig, beteiligte sich über Wochen nicht am Unterricht. „Der sagte keinen Ton.“ Im persönlichen Gespräch erfuhr Blömer: Der Junge schämte sich, auf die Hauptschule zu gehen.
Blömer versuchte, ihm „einfach durch persönliche Wertschätzung“ dieses Gefühl zu nehmen. Später fand der Junge seinen Weg, heute leitet er nach einer Lehre als Zimmermann seinen eigenen Betrieb.
Blömer: Jammern und Klagen ist nicht mein Ding
„Das Erlebnis hat mich stark geprägt“, sagt Blömer heute. Es hat auch seine Arbeit im Bischöflichen Offizialat in Vechta beeinflusst. 1994 wurde er dort als Schulrat zuständig für die acht bischöflichen Haupt- und Realschulen im niedersächsischen Teil des Bistums.
Die Hauptschulen steckten zehn Jahre darauf in einer Krise, in ganz Deutschland. Das Wort von der „Restschule“ ging um. Bei einem Kongress in Hamburg über katholische Hauptschulen habe er „nur Jammern und Klagen“ erlebt, sagt Blömer. Das sei nicht sein Ding gewesen. „Ich wollte gegensteuern.“ 2004 war das.
„Immer von den schwächsten Schülern her gedacht.“
Blömer arbeitete mit fünf Lehrern seiner Hauptschulen zusammen und sucht nach einem Ausweg. Ergebnis: Das „Projekt Schule“ mit dem Bibelwort „Weil du so wertvoll bist“ als Motto. Ein Plan, um dieser Schulform mehr Anerkennung zu verschaffen.
Zum Beispiel durch eine enge Verbindung mit den bischöflichen Realschulen. „Der lernbehinderte Schüler in einer Klasse mit dem guten Realschüler“, fasst Blömer zusammen. Eine Herausforderung. „Aber wir haben bei diesem Konzept immer von den schwächsten Schülern her gedacht.“ Für ihn ein klassisches Markenzeichen katholischer Schulen.
Ganztagsbetreuung brauchte Überzeugungsarbeit
Das „Projekt Schule“ lebe auch von der Ganztagsbetreuung. „Bei dem gewohnten Familienbild damals durchaus umstritten in der Kirche“, berichtet Blömer.
Er musste als Schulrat viel Überzeugungsarbeit leisten in der Kirche. Denn ein Konzept sei nur der erste Schritt. „Man braucht ja auch die Rahmenbedingungen für die Arbeit.“
Er brauchte Millionen für die neuen Schulen
Vor allem Geld, um Schulen zu erweitern und umzubauen für das neue Konzept. Blömer warb deshalb in Pastoralrat und Kirchensteuerrat der oldenburgischen Kirche für das Konzept, suchte die Leitung des Offizialats zu gewinnen. Mit Erfolg. 2007 konnte die Arbeit beginnen.
Nach großen Investitionen. Bei der Marienschule Cloppenburg etwa entstanden neue Gebäude für acht Millionen Euro, in der Ludgerusschule Vechta für zwei Millionen Euro. Geld, das der oldenburgische Kirchensteuerrat immer bewilligte.
Das Projekt machte Schule
Die wichtigste Folge von Konzept und Investitionen: Mehr Eltern meldeten ihre Kinder an diesen anderen Schulen an. Eine weitere Folge: Andere Hauptschulen wurden aufmerksam. Blömer stellte das Konzept bundesweit auf Kongressen vor, die oldenburgischen Schulen hatten immer wieder Fachleute zu Gast, die interessiert waren. Manche Schulen haben das Konzept komplett übernommen.
Die Kirche in Oldenburg war damit eine Art Vorreiter; erst 2011 führten die Länder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen vergleichbare Modelle für die staatlichen Schulen ein.
Zuständig für 5.400 Schüler und 475 Lehrkräfte
Heinrich Blömer hat inzwischen als Vorstand einer bischöflichen Schulstiftung zusätzlich die pädagogische Leitung von vier Gymnasien und einer Berufsschule. Damit ist er zuständig für mehr als 5.400 Schüler und 475 Lehrkräfte in Vechta, Cloppenburg, Oldenburg und Wilhelmshaven.
Jetzt tritt er nach 28 Jahren in der Schulabteilung des Offizialats in den Ruhestand. Blömer hatte von der Personalentwicklung bis zur Lehrerausbildung viele Aufgaben. Aber von einer spricht er besonders begeistert: von seinem „Projekt Schule“, mit dem er die bischöflichen Hauptschulen reformiert hat.