Impuls zum 1. Advent

Zukunft - und die Macht der Hoffnung im Advent

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Warten sei der Advent, heißt es. Das stimmt. Das ist allerdings nicht alles. Es geschieht uns, dass da jemand kommt. Der „Kirche-und-Leben.de“-Impuls zum 1. Advent – zum Begriff Zukunft.

Das im Mittelhochdeutschen noch gebräuchliche Wort „Kunft“ ist heute im gewöhnlichen Gebrauch gänzlich erstorben, wie das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm nachweist. Es ist jedoch in Zusammensetzungen gegenwärtig, davon sollen für die Sichtweisen im Advent vier zusammengesetzte Wörter näher betrachtet werden: Zukunft, Wiederkunft, Auskunft, Ankunft.

Die Zukunft folgt als Zeit der Gegenwart. Die Zukunft ist noch nicht und „ist“ dennoch in ihrem Noch-nicht-Sein, indem ich sie erwarte; die Kraft der Erwartung schafft eine Gegenwart aus der Zukunft, gibt dem (noch) nichtgegenwärtigen Zukünftigen sein erwartetes Zukommen.

Zukunft nicht von Gegenwart abgelöst

Der Zukunftsdenker Robert Jungk schrieb 1952: „Das Morgen ist schon im Heute vorhanden, aber es maskiert sich noch als harmlos, es tarnt und entlarvt sich hinter dem Gewohnten. Die Zukunft ist keine sauber von der jeweiligen Gegenwart abgelöste Utopie: die Zukunft hat schon begonnen. Aber noch kann sie, wenn rechtzeitig erkannt, verändert werden.“

Wir denken häufig allzu blockhaft Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft. Dass alle drei miteinander verwoben sind und auseinander wachsen, müssen wir uns neu vergegenwärtigen. Die jüdische Dichterin Rose Ausländer fasst es so: „Die Vergangenheit hat mich gedichtet ich habe die Zukunft geerbt Mein Atem heißt JETZT.“ Zwischen dem „Gedichtetwerden“ und dem „Erben“ spielt sich die Gegenwart ab.

Die Macht der Hoffnung

Wie können wir nun mit der Zukunft umgehen? Der Unabsehbarkeit der Geschichte begegnen wir mit der Macht der Hoffnung, dass sich Verheißungen erfüllen mögen. Eine Verheißung ist eine Zukunftsansage, durch sie wird Zukunft schon im Wort wenigstens Gegen-Wart, sie lässt den Menschen aus-sein auf die mögliche Erfüllung der Verheißung in der Zukunft.

Jede Erfüllung bestätigt den Mehrwert der Verheißung, enthält aber auch die Enttäuschung, dass die volle Einlösung des Versprechens noch aussteht. Die Verheißung rechnet mit mehr Möglichkeiten des Menschen, als er selbst momentan an sich wahrnimmt, und mit den noch größeren Möglichkeiten Gottes mit ihm.

Im Advent beginnt die Zukunft

Bis hinein ins Mittelhochdeutsche hatte das Wort „Zukunft“ noch immer eine religiöse Dimension im Sinne einer bevorstehenden „Herabkunft Gottes“, ähnlich dem lateinischen Wort „adventus“ = „An- und Zukunft“. Der uralte lateinische Eingangsgesang der Messe vom Ersten Advent macht die Richtung klar: Es geht auf „Ad te!“ = „Zu Dir!“ Damit wird deutlich, dass wir im Advent nicht auf etwas, sondern auf jemanden zugehen, nicht auf eine anonyme Zukunft, sondern auf den, der die Zukunft in Person ist. „Zu dir, Herr, erhebe ich meine Seele. Mein Gott, auf dich vertraue ich. Lass mich nicht scheitern“ (Ps 25). Der Erste Advent ist ein Auftakt. Es beginnt die Zeit des symbolischen Entzündens der Adventskranzkerzen und des Öffnens der Adventskalendertüren. Im Advent beginnt unsere Zukunft, das Entgegenkommen unseres Gottes.

Durch eine Verheißung wird Zukunft angesagt, durch sie wird Zukunft schon im Wort wenigstens Gegen-Wart. Eine Grundkraft der Religion ist die Hoffnung. Sie ist die Fähigkeit, den Augenblick zu überschreiten. Hoffnung stellt sich zum Gegenwärtigen schon einen Kontrast oder eine Entwicklung in der Zukunft vor.

Gegenvorstellung zur bedrückenden Wirklichkeit

Eine solche Gegenvorstellung zur bedrückenden Wirklichkeit besang 1971 John Lennon in seinem Lied „Imagine“ – „Stell Dir mal vor!“ Er war eine Kultfigur der Popmusik, der Anti-Kriegsbewegung und des Jugendprotestes. Er wollte gerade den jungen Menschen Hoffnung geben. Der Hoffnungsträger wurde 1980 auf offener Straße niedergeschossen. Die Welt verlor durch Gewalt einen Musiker und Komponisten, die Anti-Kriegsbewegung einer ihrer berühmtesten Mitstreiter.

Er hatte es verstanden, in seiner Musik und seinen Texten die Gefühle Millionen Jugendlicher auszudrücken. Was ist aus seinen Träumen geworden? „You may say I’m a dreamer. But I’m not the only one. I hope someday you’ll join us. And the world will live as one“ („Du magst sagen, ich sei ein Träumer. Aber ich bin nicht der Einzige. Ich hoffe, dass du dich uns eines Tages anschließt. Und die Welt wird in Einheit leben“.) Sein Lied „Imagine“ – „Stell Dir doch bloß mal vor...!“ lädt uns noch heute ein, über das Gegenwärtige hinauszublicken und sich mehr vom Leben zu erhoffen.

Unser Glaube gibt uns bereits eine Gegenvorstellung, nach dem Hebräerbrief ist er: „Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“ (Hebr 11,1).

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