Geschätzt 500.000 Pflegekräfte arbeiten in deutschen Haushalten

24-Stunden-Pflege: Der verdrängte Stress-Job der Haushaltshilfen

  • Kein Mindestlohn, illegale Arbeitszeiten, kaum Privatsphäre - das ist oft das Los von Pflegekräften in Privathaushalten.
  • Rund 500.000 soll es in Deutschland geben, die meisten davon Frauen aus Osteuropa.
  • Die Caritas und weitere Verbände fordern von der Politik, den Missstand endlich anzugehen.

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Die Pflege von Menschen in ihren eigenen vier Wänden funktioniert häufig nur, weil zehntausende Menschen aus Osteuropa aushelfen - unter oft fragwürdigen Bedingungen. Zum "Tag der Pflege" am Freitag (12. Mai) legen Pflegeverbände erneut den Finger in die Wunde.

Der Deutsche Caritasverband, das Deutsche Institut für Menschenrechte und der Sozialverband VdK fordern die Bundesregierung auf, die Situation dieser Haushaltshelferinnen endlich zu verbessern - wie es im Koalitionsvertrag steht. Nach Schätzungen von Beratungsstellen arbeiten zwischen 300.000 und 700.000 solcher Betreuungskräfte in deutschen Haushalten - meist Frauen aus Polen, Bulgarien und Rumänien.

Systematischer Rechtsbruch?

Die Gewerkschaft Verdi spricht von systematischem Rechtsbruch, andere Kritiker von bewusstem Wegschauen. "Die Politik hat ihr Versprechen nach fairen gesetzlichen Rahmenbedingungen für diese sogenannte 24-Stunden-Pflege bisher nicht eingelöst. Auch der aktuelle Vorschlag für eine Pflegereform liefert keine Antworten", kritisiert der Caritasverband.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte spricht von "teilweise menschenunwürdigen Bedingungen". Die Pflegekräfte erlebten häufig starke Überlastung, teilweise auch körperliche und sexualisierte Gewalt. Wegen fehlender Sprachkenntnisse, irregulärer Beschäftigung und mangelnden Informations- und Beratungsangeboten falle es ihnen schwer, sich zu wehren. Viele müssten rund um die Uhr zur Verfügung stehen und hätten kaum Privatsphäre. Meist arbeiten sie zwei oder drei Monate am Stück; danach geht es zurück in die Heimat.

Urteil des Bundesarbeitsgerichtes

Laut einer Studie des Menschenrechts-Instituts verdienen Betroffene meist deutlich weniger als den Mindestlohn - und das, obwohl das Bundesarbeitsgericht im Sommer 2021 entschieden hatte, dass sie ein Anrecht auf Mindestlohn haben - sogar für die Bereitschaftszeiten.

Das Institut forderte, die Politik müsse darauf hinwirken, eine direkte Anstellung in Privathaushalten zu erleichtern. Darüber hinaus brauche es verbindliche Qualitätsstandards für Vermittlungsagenturen, effektive Beschwerdemöglichkeiten und Beratungsangebote.

Rund fünf Millionen Pflegebedürftige gibt es in Deutschland, Tendenz steigend. 4,2 Millionen werden zu Hause betreut. Die Verbraucherzentralen betonen, eine 24-Stunden-Betreuung durch eine einzige Person sei legal gar nicht möglich. Die tägliche Arbeitszeit darf durchschnittlich nicht mehr als acht Stunden betragen, die Wochenarbeitszeit 48 Stunden nicht überschreiten. Dazu kommen Urlaubsansprüche.

Modelle für legale Beschäftigung

Experten verweisen auf mehrere Modelle, ausländische Betreuungskräfte legal zu beschäftigen: Wer selbst als Arbeitgeber auftritt, muss deutsches Arbeitsrecht beachten und Mindestlohn zahlen. Zusätzlich fallen Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen an. Das kostet mindestens 3.000 Euro pro Monat.

Wenn man stattdessen einen ausländischen Dienstleister beauftragt, entfallen die Arbeitgeberpflichten. Allerdings muss das Unternehmen für die Arbeitnehmer in deren Heimatland Abgaben zahlen. Hinzu kommen Gebühren der Vermittlungsagentur. Unter 2.000 Euro geht auch das nicht.

Das Konzept "CariFair"

Ein alternatives Konzept für eine legale Beschäftigung hat die Caritas entwickelt. Beim Projekt "CariFair" übernimmt sie die Vermittlung einer Betreuerin. Sie wird von dem Pflegebedürftigen oder seinen Angehörigen mit einem legalen Arbeitsvertrag angestellt - samt einer Bezahlung zum Mindestlohn oder darüber hinaus und Urlaubsansprüchen.

Statt Rund-um-die-Uhr-Betreuung gibt es dann einen Mix aus häuslicher und ambulanter Pflege, Familien- und Nachbarschaftshilfe. Die Betreuungszeiten und die Pflegeleistungen, die die Betreuungskraft nicht abdecken kann, werden von anderen Pflege-Anbietern übernommen, etwa der Caritas-Sozialstation, der Tages- oder Kurzzeitpflege. Die monatlichen Kosten belaufen sich für die Betreuungskraft auf 2.600 Euro Personalkosten brutto und 180 Euro monatlich für die Betreuung durch die Koordinatorin und die Personalabrechnung.

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