Thomas Söding zur nicht enden wollenden Corona-Zeit

Advent in der Pandemie zeigt: Jeder Moment ist kostbar

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Die Corona-Pandemie nervt uns alle. Denn wir alle möchten wissen, was in der Zeit danach kommt. Der christliche Glaube kann uns in dieser Situation helfen, sagt Thomas Söding in seinem Gast-Kommentar.

Das Virus hat uns weiter fest im Griff. Immer neue Wellen, immer neue Mutanten, immer neue Prognosen, die sich immer wieder als falsch erweisen. Hoffnungen auf ein baldiges Ende sind zerstoben. Viele sind erschöpft. Corona geht nicht nur allen auf die Nerven, sondern vielen an die Exis­tenz. Gibt es kein Ende? Die Medizin ringt um Antworten, die Politik will sie geben, die Gesellschaft kommt nicht zur Ruhe.

Je stärker der Blick sich weitet, desto drängender wird die Frage: Was ist in Deutschland, was in Ghana, was in China, was in Paraguay? Was wird in den nächsten Wochen, in den nächsten Monaten und Jahren, in den nächsten Jahrzehnten?

Christlicher Glaube kann stimulieren

Der christliche Glaube kann die wissenschaftliche Analyse und die politische Verantwortung nicht ersetzen. Aber er kann sie stimulieren: auf die Ökonomie und auf die Ökologie zu schauen, auf die Schwachen, die Vergessenen, auf die seelischen Nöte, auf die Suche von Menschen nach Trost und nach Glück.

Es gehört zur Weisheit des christlichen Glaubens, mit immer neuen Krisen zu rechnen und dennoch nicht in Verzweiflung zu fallen: weil es Zeichen der Menschlichkeit mitten im Unheil gibt und weil der verborgene Gott diesen Zeichen Zukunft gibt, mitten im Leben und mitten im Sterben.

Weltuntergangspropheten gab es immer

Der Autor:
Thomas Söding ist Professor für die Exegese des Neues Testaments an der Ruhr-Universität Bochum. Als Berater der Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz und jüngst gewählter Vizepräsident des Synodalen Wegs engagiert er sich für die Reform der katholischen Kirche. Er lebt in Münster.

Mit der Sonde des christlichen Glaubens lassen sich die Dimensionen der Krisen genauer erkennen, ob Kriege oder Seuchen, ob Naturkatastrophen oder persönliche Zusammenbrüche. Sie schlagen Wunden, sie fügen Schmerzen, sie töten. Aber sie sind nicht das absolute Ende.

Immer schon hat es die Weltuntergangspropheten gegeben. Meistens hatten sie die allerbesten Argumente auf ihrer Seite – nur kein Gottvertrauen. Und deshalb weder die nötige Schärfe in der Zeitdiagnose noch die nötige Energie in der Problemlösung.

Advent als Zeit der Besinnung

Der Advent ist die Zeit der Besinnung auf das Wesentliche: aufs Menschliche und Göttliche. Er ist eine Zeit, der etwas weniger Trubel eigentlich liegen müsste. Vor allem ist er eine Zeit des Anfangs im Zeichen des Endes und des Endes im Zeichen des Anfangs.

In der Liturgie werden die Visionen vom Ende der Zeit gelesen, die erkennen lassen, wie kostbar jeder Moment ist. Gleichzeit rufen die adventlichen Evangelien das Kommen Jesu in Erinnerung: Gott unter den Menschen, Ewigkeit in der Zeit, ein Ende aller Enden und ein Anfang aller Anfänge.

Die Positionen der Gastkommentare spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von „Kirche+Leben“ wider.

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