Klaus Nelißen über Lebensmut in schwierigen Zeiten

Advent: Was erwarten und worauf hoffen wir noch?

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Die Hoffnung auf eine gute Zukunft ist für Christenmenschen die größte Provokation, schrieb Karl Rahner. Gastkommentator Klaus Nelißen erkennt diese Provokation im eigenen Leben wie in der Kirche.

Erwarten Sie noch etwas? Kann man ja mal fragen, kurz vor Beginn des Advents. Und: Erwarten Sie noch etwas Gutes? 

Als jemand im besten Alter für eine Midlife-Krise, der die Nachrichtenlage verfolgt und aufs Klima schaut, muss ich gestehen: Ich tue mich zunehmend schwer, noch etwas Gutes zu erwarten für die Zukunft. Ob meine Rente sicher ist, weiß ich nicht. Auch nicht, ob die Welt überhaupt noch hauslich ist, in der ich dann lebe mit 67, also im Jahr 2046.

Hoffnung ist so wichtig

Der Autor 
Klaus Nelißen ist stellvertretender Rundfunkbeauftragter der NRW-Diözesen beim WDR. Der Pastoralreferent des Bistums Münster volontierte bei der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) und studierte Theologie in Münster und Berkeley, Kalifornien.

Und dann kann ich noch so viel Glühwein trinken auf den Weihnachtsmärkten, die jetzt wieder starten: Meine Hoffnung auf eine gute Zukunft kann ich mir nicht schön trinken.

Dabei ist diese Hoffnung doch so wichtig! Durch meine psychosomatische Reha Anfang des Jahres habe ich noch einmal existenziell gelernt, wie wichtig Lebensmut ist, um mental gesund zu sein. Vielleicht kann ich mir meinen Zukunftsmut nicht schön trinken. Aber kann ich sie mir „schön beten“? 

Und hier wäre ich bei der Kirche. In ihr nehme ich fast dieselben Gefühle wahr wie in mir: Freuen wir uns als Kirche auf das, was kommt?

Der Ton wird rauer

Es wird kälter. Zum Heizen der Kirchenräume fehlt Geld, der Ton wird mitunter rauer, weil alle überlastet sind. Und zugleich werden wir weniger. „O, du fröhliche?“ Und dann Karl Rahner: Der große Konzilstheologe hat schon vor 50 Jahren gemahnt, dass die Vitalität und Überzeugungskraft der Kirche schwindet, wenn sie das Neue und Zukünftige fürchtet.

Sich an der Zukunft festmachen, nicht am Vergangenen - darin liegt für Rahner die eigentliche Provokation für die Christenmenschen. Der einstige UNO-Generalsekretär Dag Hammarskjöld hat einmal gesagt: „Das Seil über dem Abgrund wird von denen gespannt, die es am Himmel festmachen.“

Arbeit im Advent

Advent ist die Zeit der Erwartung und für mich die Zeit, mein Erwartungsmanagement noch einmal zu reflektieren: Worauf darf ich hoffen? An welchem Himmel mache ich mich fest? „Amen“ heißt auf Deutsch: „Ich mache mich fest.“ Mein Amen in der Christnacht soll der guten Zukunft gelten. Daran mich festzumachen, ist Arbeit. Es ist Advent. 

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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