Korrespondent Thomas Aders bei der Eröffnung der Misereor-Aktion in Recklinghausen

ARD-Nahost-Experte: „Europa droht seine Seele zu verlieren“

Angesichts der Zustände an der griechisch-türkischen Grenze hat der ARD-Nahost-Experte Thomas Aders in Recklinghausen davor gewarnt, im Streit um die Aufnahme von Flüchtlingen christliche Werte zu vernachlässigen.

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Angesichts der dramatischen Zustände an der griechisch-türkischen Grenze hat der ARD-Korrespondent und Nahost-Experte Thomas Aders die europäischen Staaten dazu aufgerufen, in Einigkeit eine humanitäre Katastrophe der Flüchtlingssituation abzuwenden: „Alle EU-Staaten sind gefordert, die Lage der Flüchtlinge zu verbessern. Wenn osteuropäische Staaten eine reine Blockadepolitik betreiben, dann berührt das die europäische Idee“, sagte Aders. Im Streit um die Aufnahme von Flüchtlingen drohe „Europa die Seele zu verlieren“ und gemeinsame christliche Werte zu vernachlässigen.

Aders sprach bei der Eröffnung der Misereor-Fastenaktion im Trainingsbergwerk Recklinghausen, zu der die Eine-Welt-Kreise im Stadtkomitee der Katholiken eingeladen hatten. Der langjährige Leiter des ARD-Büros in Kairo gilt als einer der besten Kenner der arabischen Welt. Bekannt wurde er 2016, als er ein Exklusiv-Interview mit dem syrischen Machthaber Baschar al Assad führte.

Viele Konflikte im Nahen Osten

Aders erklärte viele politischen Zusammenhänge im Nahen Osten: den Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten, das Ende des Arabischen Frühlings, die ungelöste Frage nach einem kurdischen Staat, den Stellvertreterkrieg von Saudi-Arabien und Iran im Jemen und die Gefahr durch religiöse IS-Kämpfer.

„Heute versuchen vor allem die Türkei und Russland, das Machtvakuum in vielen Regionen auszunutzen. Wer hätte vor Jahren daran gedacht, dass diese Staaten immer mehr an Einfluss im Nahen Osten gewinnen?“, fragte Aders.

Mehr Hilfe für den Libanon und Jordanien

Maria Voß, Pablo Gamsjäger, Thomas Aders, Bernd-Uwe Seeger und Ziayd Hasso.Warben in Recklinghausen für die Misereor-Fastenaktion (von links): Maria Voß, Pablo Gamsjäger, Thomas Aders, Bernd-Uwe Seeger und Ziayd Hasso. | Foto: Johannes Bernard

Angesichts der für viele kaum noch überschaubaren politischen Konflikte im arabischen Raum meinte der ARD-Experte, in den Auseinandersetzungen gehe es weniger um Religion, sondern einzig und allein um Macht: „Assad will beispielsweise nur die Macht. Religion spielt für ihn eine völlig untergeordnete Rolle.“

In diesem Zusammenhang zollte Aders den Hilfeleistungen des Libanon und von Jordanien Respekt: „Diese Länder haben Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Sie verdienen mehr Hilfe durch die EU und die Vereinten Nationen.“

Misereor unterstützt Flüchtlinge

Wie Maria Voß von der Arbeitsgemeinschaft der Eine-Welt-Kreise im Stadtkomitee der Katholiken in Recklinghausen erklärte, unterstützt das kirchliche Hilfswerk Misereor viele soziale Projekte im Nahen Osten. Misereor sammelt in diesem Jahr Spenden für Flüchtlinge im Libanon. Das Nachbarland Syriens beherbergt besonders viele Bürgerkriegsflüchtlinge. Die Fastenaktion steht 2020 unter dem Motto „Gib Frieden!“.

Vor wenigen Tagen hatte Misereor angesichts der humanitären Katastrophe in der syrischen Provinz Idlib gefordert, Deutschland und Europa dürften nicht länger zusehen, „wie Menschen, die vor Krieg und Bomben flüchten, als Verhandlungsmasse instrumentalisiert werden“.

Solibrot und Fastenbier für einen guten Zweck

Wie Solidarität ganz praktisch gehen kann, darauf machten die Eine-Welt-Kreise aufmerksam, als sie auf der Veranstaltung mehrere Misereor-Produkte wie die Solibrot-Backmischung und das alkoholfreie Misereor-Fastenbier anboten. Der Erlös der Produkte kommt Misereor und damit den Flüchtlingen zugute.

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