Bastian Rütten: Wie Mitarbeiterwerbung à la Jesus geht

Auslegung der Lesungen vom 2. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B

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Jesus baute seine Gefolgschaft in erster Linie nicht durch große Taten und Worte auf. Es war eher eine einfache Frage und seine besondere Lebensart, die seine Jünger begeisterte, erklärt Pastoralreferent Bastian Rütten und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

„Was bisher geschah…“ Bei diesen Worten muss ich sofort an den Großmeister des Humors denken: An Vicco von Bülow, alias Loriot. In einem seiner meisterlichen Sketche lässt er seine kongeniale Partnerin Evelyn Hamann als Programmmanagerin im Abendprogramm einen Rückblick auf die letzten Episoden der Serie „Die zwei Cousinen“ versuchen. Zunehmend verstrickt sie sich; vor allem in der englischen Aussprache. Am Ende ist ein roter Faden nicht mehr zu erkennen und sämtlicher Überblick geht verloren.

„Was bisher geschah…“ Eine solche Vergewisserung tut mir bei manchen komplexen Geschichten aus der Bibel ganz gut. Auf wenige Zeilen komprimiert, werde ich oftmals am Sonntag mit solchen vielschichtigen Gebilden konfrontiert. So ist es auch mit dem Evangelium dieses Sonntags. In nur acht Versen wird, so scheint es mir, Stoff für ein ganzes Kapitel verarbeitet. Es geht sprichwörtlich „Schlag auf Schlag“. 

Jesus bekommt plötzlich Gefährten

Die Lesungen vom 2. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.

Gerade noch haben wir den Karton mit der Weihnachtsdeko auf dem Speicher verstaut, da steht der Erwachsene Jesus vor uns. Nein, da geht es schon los. Zunächst steht da Johannes der Täufer. Aber: Schritt für Schritt. Ich nehme mir ein Beispiel an Loriot und schaue auf all das, was bisher geschah. Manchmal tut das gut. Vor allem in aller Unübersichtlichkeit.

Johannes also steht am Jordan, begleitet von zwei Jüngern. Dann taucht Jesus auf. Die Reaktion des Johannes ist kurz, knapp und eindeutig. Er zeigt auf diesen Jesus und sagt: „Seht das Lamm Gottes!“. Dieser Hinweis hatte es anscheinend in sich. Sofort, so heißt es, schließen sich die beiden Jesus an. Und dann kommt es. Man überliest es so schnell. Jesus merkt, dass er Begleitung hat und er fragt: „Was sucht ihr?“

Was suchen die Jünger?

Bedeutsam daran ist für mich, dass dies im Johannes-Evangelium die ersten Worte dieses Jesus von Nazareth sind, die er zu den Menschen spricht. „Was sucht ihr?“, diese Frage ist mir so sympathisch. Er fragt nicht, was sie können. Er erklärt keine Regeln, die es bei der Nachfolge zu bedenken gäbe. Er stellt keine Bedingungen. Er macht keinen Eignungstest. Drei einfache Worte, die so offen wie kaum eine andere Frage sind: „Was sucht ihr?“

Da ist so viel Raum für persönliche und individuelle Gedanken, Bedürfnisse, Hoffnungen und Wünsche der beiden. „Das“, so denke ich mir, „das ist mein Jesus“. Die beiden scheinen überfahren zu sein und reagieren mit einer Gegenfrage: „Wo wohnst du, Meister?“ Diese Gegenfrage haut Jesus anscheinend nicht um. Im Gegenteil. Er merkt: Hier kommen Worte und Erklärungen an Grenzen. Kurzerhand sagt er: „Kommt, seht selber.“ Sie bleiben einen Tag bei ihm, akzeptieren die Einladung und nehmen plötzlich an einer Art „Training on the job“ teil. Das bezeichnet die Einarbeitung in eine Aufgabe direkt am Arbeitsplatz.

Plötzlich ist Simon Petrus mit im Spiel

Das steht im absoluten Gegensatz zur theoretischen Ausbildung, etwa in einer Schule oder einem Seminar. Man lernt etwas, indem man eine Aufgabe selbst ausführt. Die Methode überzeugt. Andreas, einer der beiden Praktikanten, ist anscheinend so infiziert von dem, was er erlebt, dass er damit nicht hinter dem Berg hält. Er trifft seinen Bruder, schwärmt und erzählt, ist voller Eifer und sprudelt nur so über vor Begeisterung. Das steckt an und „zack“ ist sein Bruder auch dabei. So geht Mitarbeiterwerbung auf jesuanisch.

Und als ob das nicht genug sei, kommt jetzt (wieder in einer Randbemerkung) der absolute Knaller. Dieser Bruder ist kein Geringerer als Simon. Er bekommt in dieser Szene den neuen Namen Petrus. Uns allen ist bekannt, welche Rolle er fortan spielt und welche Auswirkungen das hatte. Bis heute beruft sich das Amt des Papstes in unserer Kirche auf ihn.

Jesu Lebensart begeistert bis heute

Was ist so besonders? Dieser Petrus lässt sich anwerben von Menschen, die etwas erfahren haben. Es begann mit der Frage „Was suchst du?“ Bis dahin wurde nicht belehrt, nicht regiert, nicht bestimmt, nicht getadelt. Es tat gut darauf zu schauen, „was bisher geschah“, bevor dieses Amt (was ich hier gar nicht infrage stelle) ins Leben gerufen wurde.

Nur eins: Vor der Erwählung des „Felsens“, vor der Errichtung von Strukturen und Hierarchien stand die einfache Frage des Jesus: „Was sucht ihr?“. Dann kamen Menschen, die bereit waren, mit ihm zu leben. Dann kam deren Begeisterung, weil seine Lebensart so anders war. Dann erst kam der Rest. Tröstlich, oder? Gerade heute.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 2. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B finden Sie hier.

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