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Sie sind Miesmacher, Unruhestifter, Nörgler. Und darum wichtig: Propheten! Mose zum Beispiel, auch Jesus und Paulus. Und es gibt sie auch heute, Gott sei Dank. Pfarrer Stefan Jürgens zeigt in seiner Schriftauslegung, wo.
Was ist eigentlich ein Prophet? Für manche ist ein Prophet ein Hellseher, der die Zukunft voraussagt. Andere sehen in ihm einen gelehrten, alten Mann, der schöne Weisheiten aufschreibt. In Wirklichkeit aber sind die Propheten weder Hellseher noch Gedichteschreiber.
Sie sind keine Wahrsager, sondern sie sagen die Wahrheit. Das macht sie unbeliebt. Denn sie sind die Miesmacher der Nation, Unruhestifter und penetrante Nörgler, Salzstreuer in die Wunden der Mächtigen und Reichen. Es sind Leute, die genau hinschauen, was Sache ist, und die Dinge beim Namen nennen. Ohne Wenn und Aber. Und ohne Respekt vor der Obrigkeit.
Gott bleibt seinem Volk auf den Fersen
Die Lesungen vom 4. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.
Da ist von Mose die Rede, der sich selbst als Prophet bezeichnet. Er hatte Gottes Freiheitswillen erfahren und das Volk mobilisiert. Israel machte mit Mose mobil gegen den Pharao und die Sklaverei. Auf dem Weg haben sie den Herrn kennengelernt, den Gott der Freiheit. Dieser Gott blieb seinem Volk auf den Fersen, wohin es auch ging. Das Buch Deuteronomium ist so etwas wie die Abschiedsrede des Mose. Bis hierher hatte er das Volk geführt. Ins gelobte Land jedoch durfte er selbst nicht einziehen. Deshalb verheißt er dem Volk einen neuen Propheten.
Auch Jesus war Prophet. Er war von Gott gesandt und wollte die Menschen zur Freiheit führen. Davon spricht das Evangelium: Jesus lehrt mit göttlicher Vollmacht, anders als die Schriftgelehrten, die nur Gesetze und Regeln im Sinn hatten. Die Schriftgelehrten fragten: „Darf man das? Darf man es nicht? Und wenn man es darf, wie darf man es?“ So ein Kleinkram war Jesus fremd. Denn Jesus hatte nur Gott im Sinn. Er fragte: Was will Gott von uns? In seiner Nähe war Heilung spürbar: Vergebung, Anerkennung, Solidarität.
Besser nicht heiraten?
Jesus war also Prophet. Wie alle Propheten war er ein Störenfried durch und durch, ein Sozial- und sogar Religionskritiker. Die Wahrheit war ihm wichtiger als die Konvention oder der gute Ruf. Faule Kompromisse waren ihm zuwider. Schon am Anfang wollte man ihn nicht hören: „Kein Prophet wird in seiner Heimat anerkannt“, hat er da gesagt. Am Ende erleidet er das typische Prophetenschicksal: „Ein Prophet darf nirgendwo anders umkommen als in Jerusalem“, sagt Jesus – und hat damit Recht behalten.
Auch Paulus hatte etwas Prophetisches. Die zweite Lesung darf man nicht unkommentiert lassen. Paulus sagt sinngemäß: „Der Unverheiratete sorgt sich um den Herrn, der Verheiratete sorgt sich um die Welt.“ Deshalb sei es besser, nicht zu heiraten. Wie kann man das verstehen? Paulus hatte nichts gegen die Ehe, er wollte die menschliche Liebe nicht abwerten. Aber er dachte: Wenn Christus ohnehin bald wiederkommt, um die Welt zu vollenden, dann lohnt es sich einfach nicht mehr, in die irdische Zukunft zu investieren.
Wie wird man zum Propheten?