Pfarrer Stefan Jürgens: Der Teufel – gibt es den überhaupt?

Auslegung der Lesungen vom 5. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B

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Schon mal Besessene geheilt oder Dämonen ausgetrieben? Jesus selbst hat viele Menschen geheilt und so das Reich Gottes verkündet. Auch Sie können zu einer Heilung beitragen, sagt Pfarrer Stefan Jürgens und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Haben Sie schon mal Dämonen ausgetrieben? Immer wieder heißt es in den Evangelien, dass Jesus Besessene heilt und Dämonen austreibt. Auch an diesem Sonntag: Jesus heilt „viele, die an allen möglichen Krankheiten litten, und trieb viele Dämonen aus.“ Besessene heilen, Dämonen austreiben, das kann bedeuten: jemandem helfen, wieder Herr im eigenen Haus zu werden; jemandem Mut machen, vom passiven zum aktiven Leben zu kommen. Wer besessen ist, lässt sich von etwas oder jemandem fremdbestimmen, das oder der ihm schadet. Jesus will, dass wir frei und selbstbestimmt leben.

In früheren Zeiten wusste man noch nichts von bestimmten Krankheiten. Stattdessen wähnte man die Welt voller böser Geister. Wer krank war, hatte den Teufel im Nacken. Dämon kommt vom griechischen „daimonia“, und das heißt einfach: „Kraft“. Man könnte also sagen: Jesus hat die Menschen von Krankheiten oder bösen Kräften geheilt. Das ist eine mögliche Erklärung.

Der Sündenfall und die Schuldfrage

Die Lesungen vom 5. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.

Man muss sich jedoch bewusst machen: Wenn Jesus heilt, verkündet er das Reich Gottes. Er will weder Zauberer noch Medizinmann sein. Die Heilungen und Wunder zeigen das Reich Gottes, das mit Jesus angebrochen ist. Dennoch lohnt es sich einmal zu fragen: Dämonen und Teufel – gibt es die überhaupt? Ich halte den Teufel für reine Projektion. Also für ein Bild, das wir in eine gedachte Unterwelt projizieren. Damit verteufeln wir unsere eigenen dunklen Seiten; das, was wir an uns selbst nicht annehmen können; das, was wir unheimlich finden und deshalb verdrängen.

Im ersten Buch der Bibel lesen wir vom Sündenfall. Adam isst von der verbotenen Frucht und schiebt die Schuld sofort auf Eva. Auch Eva drückt sich vor der Verantwortung und schiebt die Schuld auf die Schlange. Menschen neigen dazu, ihre Schuld auf andere abzuschieben. Wenn wir uns ertappt fühlen, winden wir uns heraus und zeigen mit dem Finger auf die anderen. Und wenn es keinen Menschen mehr gibt, den wir verantwortlich machen können, dann erfinden wir eben eine mythische Gestalt.

Teufel als Projektion des Menschen

Damit ist der Teufel die letztmögliche Flucht vor der eigenen Verantwortung. Wer nicht selbst schuld sein will, wer seine dunklen Seiten nicht anschauen und an ihnen arbeiten will, der ist eben in Versuchung geführt worden und kann sich guten Gewissens selber leidtun. Deshalb ist der Teufel Projektion des Menschen, der mit seiner Verantwortung nicht klarkommt. Wo man aber vergisst, dass es ein Sinnbild ist – da ist wirklich der Teufel los!

Selbst der Exorzismus hat lange funktioniert: Der seelisch Kranke konnte auf eine Autorität projizieren, was er an sich selbst nicht leiden mochte. Das ging so lange gut, wie der Priester als machtvolle Person galt, also in unaufgeklärten Zeiten und Milieus. Das hat aber überhaupt nichts mit dem Teufel zu tun, sondern mit unserer Anfälligkeit für Magie. Exorzismus ist das Abschieben von ungeliebten Persönlichkeitsanteilen auf eine mit Macht aufgeladene Person. 

Schon mal Dämonen ausgetrieben?

Teufel und Dämonen können in unserer Sprache bestenfalls Bilder dafür sein, dass die Welt nicht heil ist: Metaphern, Chiffren für das Böse. Wir glauben nicht an den Teufel, wir widersagen ihm! Alles andere ist Angst und Aberglauben. Und damit kommt man nur allzu schnell in Teufels Küche.

Doch nun zu meiner Ausgangsfrage: Haben Sie schon mal Dämonen ausgetrieben? Ich schon. Und ich glaube, Sie können das auch. Ich kenne Menschen, die waren von ihrer Angst ganz besessen: Heidenangst. Ich habe ihnen Mut gemacht und ihnen von meinem Glauben erzählt. Irgendwann konnten sie wieder vertrauen. Andere waren von ihrem Besitz ganz besessen. Ich durfte ihnen helfen, die Prioritäten wieder richtig zu setzen.

Jesus will, dass wir frei sind

Ich kenne Menschen, die waren von einem anderen Menschen besessen: von einem Chef, der ihnen Druck machte, vor dem sie schmeicheln und katzbuckeln mussten; von falschen Idolen, die sie fast krank gemacht hätten; von einer Geliebten, die einen zweiten Frühling versprach. Heute gibt es wieder Diktatoren, die das Böse für das Gute verkaufen. Das ist wirklich teuflisch. All das sind Menschen, die nicht leben, sondern gelebt werden.

Besessen ist die passive Form von besitzen. Aktive Menschen haben sich selbst im Griff und ihr Leben in der Hand, sind im Vollbesitz ihrer Kräfte und treffen ihre Entscheidungen selbst. Passive Menschen tun das nicht. Ijob behält seine Freiheit auch im Leiden, Paulus nimmt seinen Dienst in Freiheit an. Jesus will, dass wir frei sind und selbstbestimmt leben. Denn nur wer sich selbst besitzt, kann sich verschenken.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 5. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B finden Sie hier.

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