Josef Wichmann: Nutze die Zeit! Aber wie, wofür?

Auslegung der Lesungen vom 3. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B

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Die Zeit – zu Jesu Zeiten wie auch heute – ist erfüllt von Krisen und schlechten Nachrichten. Dennoch lohnte es sich für die Jünger, mit Jesus zu gehen. Nehmen wir uns genügend Zeit für Gott, fragt Josef Wichmann und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Die Zeit ist kurz! „Die Zeit ist erfüllt“ (Mk 1,15) Dieses Wort fiel mir beim Lesen des Evangeliums in die Augen und blieb haften: Als Jesus es in die Welt und Zeit rief, da waren die Menschen voller Erwartung. Sie ahnten: Die Zeit ist reif, ist voll von irgendetwas, es wird sich etwas Besonderes ereignen, etwas kommt, das schon lange erwartet wurde.

„Die Zeit ist erfüllt“, aber von was, von wem? Die Zeit ist erfüllt von Gott! Sein Reich ist nahe, sagt Jesus, darum gilt es, umzukehren zu ihm, sich ihm (wieder) zuzuwenden; dann kannst du die Fülle des Lebens erfahren.

Mit Jesus lohnt es sich zu gehen

Die Lesungen vom 3. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.

In Ninive müssen die Bewohner auf die Predigt des Jona hin solches erspürt haben, wie es die 1. Lesung sagt: „Die Leute von Ninive glaubten Gott und er sah, wie sie umkehrten.“ Ein solches Gespür müssen auch die ersten Jünger in der Begegnung mit Jesus gehabt haben. Wie er von Gott sprach, das nahm man ihm ab, man glaubte ihm. Bei ihm war eine Menschlichkeit zu spüren, die faszinierte. Von ihm muss deutlich mehr an Geborgenheit, Heimatgefühl, Orientierung, kurz: Empathie ausgegangen sein als von den Religionsgelehrten damals.

Mit ihm lohnt es sich zu gehen, ihm kann man folgen, ihm glauben. Die ersten Jünger lassen sich von ihm ansprechen, sie lassen alles hinter sich und gehen in seine Schule. Er will sie zu Menschenfischern machen. Die Zeit damals wie heute war und ist nicht die einer heilen Welt.

Zeit ist erfüllt – von schlechten Nachrichten

Sie war und ist auch heute eher erfüllt von Unheil, von Schrecken, Naturkatastrophen, von Kriegen, unmenschlichen Gräueln, kurz: Die Zeit ist erfüllt von Krisen, von schlechten Nachrichten, die Freude am Leben stirbt, Hoffnungen sinken und das Leben an sich wird düster. Man hat den Eindruck, die Welt und die Zeit laufen nicht auf eine Erfüllung hin, sondern auf ein Chaos, ein Ende mit Schrecken zu.

Doch Jesus sagt: „Die Zeit ist erfüllt.“ Fülle der Zeit, was meint er damit? Eine von Sinn erfüllte, eine volle Zeit, in der ich mich rundum wohl und geborgen fühle, ganz bei mir bin, wird kaum oder selten erfahren. „Die Zeit ist kurz“, sagt Paulus. Trifft das nicht eher unser Gefühl? Paulus spricht an dieser Stelle von der Wiederkunft Christi. Er erwartet sie noch zu seinen Lebzeiten. In dieser kurzen Zeit für den Herrn zu wirken, darum geht es ihm.

Die Welt wird leerer von Gott

Alles andere ist unwichtig, ob man verheiratet ist oder nicht, ob voll Freude oder voll Trauer. Die Gestalt dieser Welt vergeht! Die kurze Spanne Zeit sollte erfüllt sein von Gott, vom Dienst an ihm, im Wirken für ihn. Im Blick auf ihn sein Leben gestalten, im Wirken für andere, ohne sich selbst zu vergessen. In unserer säkularisierten Zeit ist von Gott nur wenig zu erspüren. Die Welt wird scheinbar leerer von Gott, bewusst oder unbewusst wurde beziehungsweise wird er vergessen oder vertrieben. „Wir haben ein Problem mit Gott, weil er uns nicht mehr imponiert!“ (Peter Sloterdijk).

Gibt es nicht dennoch Orte und Zeiten, wo man Gott erfahren, ihn erspüren kann, wo etwas von seiner Nähe und Fülle west? Als Student war ich mit einem Freund auf dem Athos, dem Berg der Mönche, in Griechenland. In Klöstern wurden wir als Pilger aufgenommen. Wir haben die Nachtliturgie mitgefeiert. Sie begann um 3 Uhr – mitten in der Nacht – und dauerte bis zum Morgen, als die Sonne schon aufgegangen war, gegen 7 Uhr, also drei bis vier Stunden erlebten wir die vielfältigen Formen des Gebetes, des Gesanges der Mönche, manchmal fremd, dann wieder das Herz ergreifend und zu Gott emporschwingend.

Nehme ich mir Zeit für Gott?

Drei bis vier Stunden Gebet: Jede Nacht, auch heute, die Nächte der Woche, alle Nächte des Monats, die Nächte des Jahres, schon durch Jahrhunderte. Ist das nicht Zeitverschwendung? Ein Mönch, den wir darauf ansprachen, lachte und sagte: „Die Nacht gehört den Liebenden und den Mönchen. Beide vergessen die Zeit über dem, was sie tun. Die Liebenden und die Mönche haben Zeit, Zeit für den anderen, Zeit für den Geliebten, Zeit für Gott. Das ist für mich erfüllte Zeit.“ 

Gilt das auch für mich? Nehme ich mir Zeit für Gott, für den, die Geliebte(n)? Ich muss mir Zeit nehmen, um in der kurzen Zeit meines Lebens, die Fülle der Zeit, das, was sie in mir heranreifen lässt, zu erspüren. Wie geht das? Indem ich mein Leben immer wieder in den großen Zusammenhang von Schöpfung und Erlösung stelle, mit meinem Schöpfer und Erlöser in Beziehung trete, mich an ihn wende: mit Bitte, Lobpreis und Dank.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 3. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B finden Sie hier.

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