Pater Thaddäus Vos OSB: Gott ist kein Marionettenspieler

Auslegung der Lesungen vom Fest Taufe des Herrn / Lesejahr B

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Schafft die „Frohe Botschaft“ es auch heute noch, einfache Antworten auf unsere herausfordernde Lebenssituation zu geben? Wohl kaum, aber sie gibt eine begründete Hoffnung, das Leben zu meistern, sagt Pater Thaddäus Vos OSB und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Die Erzählung von der Jordantaufe gehört zu den Berichten über das Erscheinen des Messias in der Welt. Lag am Weihnachtsfest die Betonung auf der Menschwerdung Gottes, des Kindes, in dem der Christus nicht in großer Macht und Herrlichkeit vom Himmel herabkam, sondern ganz klein und ganz wirklich ein Mensch wurde, wie wir alle es sind, so stehen die drei frühen Evangelienerzählungen vom Besuch der Weisen, von der Taufe Jesu und vom Weinwunder bei der Hochzeit zu Kana für die „Epiphanie“ Gottes: Durch den Besuch der Fremden in Bethlehem wird auf die Bedeutung des Christus weit über Israel hinaus angespielt.

Bei der Taufe steht die Erfüllung der alten Verheißungen im Mittelpunkt: Jesus stellt sich in die religiöse Tradition seines Volkes und unter die Bußtaufe des Johannes. Gott bestätigt ihn als „mein geliebter Sohn“, eine Erinnerung an das Jesaja-Wort aus der Lesung: Der Knecht, der Sohn, der Erwählte, an dem der Vater „Gefallen gefunden“ hat, er ist in Jesus auf Erden erschienen; in ihm werden die alten Visionen vom Gottesknecht wahr, die schon über das eine Volk hinauswiesen und ihn zum „Licht der Nationen“ bestimmten. Die Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit zu Kana schließlich wird als das erste „Zeichen“ des Herrn gewertet, mit dem er seine Herrlichkeit offenbarte, „und seine Jünger glaubten an ihn“.

Wie kann die „Frohe Botschaft“ heute helfen?

Die Lesungen vom Fest Taufe des Herrn (Lesejahr B) zum Hören finden Sie hier.

Was aber hat das alles mit uns Heutigen zu tun? In der Sicht auf die ganze Welt ist uns wohl gerade nicht nach Hoch-Zeit-Stimmung zumute, von der Kirche ganz zu schweigen. Und auch in vielen eigenen Lebensgeschichten mischt sich reichlich Graues in das ersehnte bunte Licht der Freude und des Friedens. Wie kann uns diese „Frohe Botschaft“ dabei helfen, unsere eigenen Aufgaben zu meistern; wie wird sie relevant für das, was im Hier und Jetzt zu bestehen ist?

Zunächst einmal: gar nicht. Die direkte Verbindung gibt es nicht. Die Erzählung vom Kind in der Krippe hilft keinem Neugeborenen, das, krank oder ausgestoßen, um sein Überleben kämpft, und der Bericht von einer Hochzeit, bei der etwas schiefging und die dann auf wunderbare Weise mittels 600 Litern guten Weines gerettet wurde, kittet keine zerbrochene, zerstörte und gescheiterte Beziehung.

Einfache Antworten fehlen

Mit einer solchen Erwartung aber würden wir den biblischen Texten auch Gewalt antun. Wer einfachhin verspricht: „Lies in der Bibel, und dann wird alles gut!“, verkürzt in unzulässiger Weise ihre Bedeutung. Die Heilige Schrift hat nicht die Aufgabe, einfache Antworten auf die vielfach komplizierten Fragen des Lebens zu liefern, nach denen man sich – ebenso „einfach“ – richten und sich dann darauf verlassen kann, dass schon alles gut wird. Eine solche Verheißung würde uns alle als eigenständig denkende und handelnde Menschen nicht ernstnehmen und uns letztlich zu unmündigen Marionetten verkürzen.

Vielmehr wollen die biblischen Texte uns eine Grundlage mitgeben, auf der wir dann zu unseren eigenen Entscheidungen finden können – und da sind die alten Erzählungen von der Erscheinung des Herrn in unserer Welt, in unserem Leben, keineswegs irrelevant, ob er uns denn als hilfloses Kind begegnet, das auf die Liebe und Hilfe so vieler angewiesen ist, ob als Erwachsener, der sich einem Nachdenk-, Buß- und Umkehrritus unterzieht, ob als Prediger, der den Menschen seiner Zeit Gott nahezubringen versuchte, oder ob vor allem als Heiland, der unschuldig zum Tod verurteilt und hingerichtet wird, der im totalen Scheitern aller seiner Lebenspläne untergeht und stirbt – und doch nicht am Ende ist, weil es einen Gott gibt, der ihn aus diesem tiefsten Dunkel wieder herausführt.

Eine begründete Hoffnung

Wer diesen Gott, der uns in Jesus sein „Mit-uns-sein-Wollen“ offenbart, vor dem geistigen Auge, im Blick und in einem gläubigen Herzen hat, dem werden die eigenen Lebensfragen nicht klein und unbedeutend, aber er und sie gewinnt eine neue Perspektive, und zwar eine, die ihr, die ihm eine neue, eine andere Hoffnung mit auf den Weg geben kann, als es alle anderen Heilsverheißungen und -versprechungen können.

So lösen die biblischen Zeichen und Bildern nicht unsere Alltagsprobleme, aber sie versetzen uns in die Lage, die eigenen konkreten Herausforderungen anzugehen – mit einer gut begründeten Hoffnung: Er ist da, und zwar weit über die Weihnachtszeit hinaus in jeden Alltag unseres Lebens hinein – wenn wir ihn denn lassen.

Sämtliche Texte der Lesungen vom Fest Taufe des Herrn (Lesejahr B) finden Sie hier.

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