Pater Ralph Greis OSB: Diese Familie ist eine Zumutung

Auslegung der Lesungen vom Fest der Heiligen Familie / Lesejahr B

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Gott wird Kind, Gott wird Mensch, Gott wird Teil einer Familie. Die aber ist ähnlich idyllisch wie Weihnachten: eher wenig. Worum es dennoch an diesem Sonntag geht, erläutert Pater Ralph Greis aus der Abtei Gerleve in seiner Schriftauslegung.

Die Heilige Familie. Das Paar ist gerade erst verlobt, da ist sie schon schwanger – aber nicht von ihm. Doch er vertraut ihr und einem Engel, der ihm im Traum erscheint, und verlässt sie nicht. Die beiden, sie ist hochschwanger, müssen 150 Kilometer weit durchs Bergland von Nazareth nach Bethlehem, weil die Besatzungsmacht sie ausgerechnet dort im Einwohnermeldeamt sehen will. Danach werden sie zu politischen Flüchtlingen vor der Mordlust eines narzisstisch-paranoiden Marionettenkönigs und müssen in Ägypten Asyl suchen.

Dann der zwölfjährige Jesus im Tempel. Die Bilder zeigen ihn meist im Kreis der Schriftgelehrten. Manchmal stehen Maria und Josef am Rande, aber nur selten wird die Szene aus der Perspektive der verstörten Eltern gezeigt, die ihren Sprössling einsammeln. Heute hätten sie vielleicht diskret Hilfe in einer kirchlichen Familienberatung gesucht.

Maler, Moralisten, Kirchenrecht

Die Lesungen vom Fest der Heiligen Familie (Lesejahr B) zum Hören finden Sie hier.

Schließlich der Besuch der Mutter Jesu und seiner Brüder in Kafarnaum, von wo sie den offenbar Verrückten nach Hause holen wollen, weil er nicht nur sich selbst, sondern auch den Ruf der Familie gefährden könnte. Diese Szene hat es weder in die traditionelle Marienfrömmigkeit noch in die Darstellungen der Heiligen Familie geschafft.

Maler und Moralisten haben die Heilige Familie oft als heile Familie dargestellt. Im landläufigen Sinne ist sie das sicher nicht gewesen. Im kirchenrechtlichen Sinne auch nicht. Als ich mich 1996 in Paderborn um die Aufnahme als Priesteramtskandidat beworben habe, musste ich mit den allfälligen Unterlagen auch ein Zeugnis über die kirchliche Eheschließung meiner Eltern beibringen. Mit meiner Geburtsurkunde und dem Taufschein ließ sich daran meine kanonische Entstehung abgleichen. Jesus hätte erst einmal Dispens gebraucht.

Alles andere als intakt

Statt von einer heilen sprechen wir oft von einer intakten Familie, weil das sachlicher klingt. Ist es aber nicht. „In-tactus“ heißt wörtlich „unberührt“. Dort mögen die Schriftlesungen uns eine Spur zum Fest legen.

Gott lässt die Ehe von Abraham und Sarah nicht unberührt. Er greift ein. So erst wird mit Isaak eine Familie daraus, so erst kann die Geschichte des Volkes Israel beginnen. Keine heile, aber eine heilige Familie, mit der unsere Heilszeit anfängt. Gott berührt Abraham und Sarah dort, ja packt zu und verändert ihr Leben, wo diese ihn lassen: bei ihrem Glauben, ihrem Vertrauen. Dort befestigt die zweite Lesung aus dem Hebräerbrief das Scharnier zum Neuen Bund: Aufgrund ihres Glaubens kann Gott mit Abraham und Sarah Heilsgeschichte schreiben.

Berührt von Gott

 

 

Wenn Abraham dem Herrn glaubt, dann tut er es im Hebräischen mit einem Wort, dem unser „Amen“ entstammt. Wenn wir Amen sagen, dann lassen wir uns, wenn wir es ernst meinen, vom lebendigen Gott berühren. Ein „intakter“ Glaube beschränkt sich oft lieber auf den Katechismus.

Maria lässt sich von Gott berühren, sie sagt ihr Amen zu seinem Antrag. Zumindest hier bleibt die „intacta virgo“ (unberührte Jungfrau) zwiespältig. Josef ist zunächst weniger berührt als vielmehr echt angefasst, aber auch er sagt Amen. Wieder entsteht keine heile, aber eine Heilige Familie.

Wie diese Familie heilig ist

Das Heilige dieser Familie liegt zuerst darin, dass Gott ihr Leben berührt, und dann, dass sie es ihm zutrauen, ihm und einander vertrauen. Heilig ist diese Familie nicht so sehr als moralisches Muster, sondern weil Gott sie trägt, gerade in allen Zumutungen. Heiligkeit ist unsere gemeinsame Berufung und nicht das Ergebnis harten Trainings.

Ergriffen werden auch Simeon und Hannah, die in ihrem langen Leben schon viel gesehen haben, bis sie im Tempel von der Begegnung mit der Heiligen Familie berührt werden. Als Kinder Israels gehören sie zur Familie Jesu. Das Kind lässt sich von Simeon anfassen und bleibt sicher auch von Hannah nicht unberührt. Wer weiß, was Gott für uns noch bereithalten mag, wenn wir es ihm zutrauen.

Zumutung und Zuspruch

Manchmal mutet Gott seinen Kindern und denen, die als Familie zusammenleben wollen, einiges zu, aber in aller Zumutung liegt der Zuspruch von Mut und Kraft, es mit seiner Hilfe anzugehen, gerade in unseren Brüchen und bleibenden Zerbrechlichkeiten.

Wenn wir von Gott her nicht „intakt“ sind, weil wir uns von ihm berühren lassen, dann kann er unser Leben heil und heilig machen. Auf diesen oft krummen Zeilen schreibt Gott seine Heilsgeschichte – mit Abraham, Sarah und Isaak, mit Maria, Josef und Jesus, mit Simeon und Hannah – und mit uns.

Sämtliche Texte der Lesungen vom Fest der Heiligen Familie (Lesejahr B) finden Sie hier.

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