Stefan Jürgens: Vom Schenken und Danken

Auslegung der Lesungen vom 27. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr A

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Selbst Geschenke sind nicht ganz umsonst. So stiftet ein Geschenk zum Beispiel eine Beziehung zwischen Beschenktem und Schenkendem. Gott hat dem Volk Israel seine Liebe geschenkt, doch vergeblich soll sie nicht sein, sagt Stefan Jürgens und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

„Geschenkt ist geschenkt“, so habe ich als Kind immer wieder gehört, wenn wir miteinander über unsere Sachen gestritten hatten und jemand etwas zurückhaben wollte. Ich glaube nicht, dass ein Geschenk ganz umsonst ist. Wenn ich etwas verschenke, dann will ich dafür nichts zurückhaben. Aber ich habe doch eine Erwartung, weil ich mit dem Geschenk meine Zuneigung verbinde. Es geht um Beziehung: Wenn ich schenke, gebe ich immer auch ein Stück von mir selbst.

Als Beschenkter muss ich die Erwartung erfüllen, die Zuneigung erwidern. Sicher kann ich das Geschenk schroff ablehnen oder es in die letzte Ecke stellen. Wenn ich höflich bin, muss ich zumindest drei Dinge tun: Ich muss meine Hände öffnen, um das Geschenk entgegenzunehmen. Ich muss mein Herz öffnen, um die Zuneigung zu spüren. Ich muss den Mund aufmachen und Danke sagen. So wird jede Gabe zur Aufgabe, so will jedes gute Wort zur Antwort werden.

Gottes Liebe bleibt ohne Antwort

Die Lesungen vom 27. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

„Geschenkt ist geschenkt“, das stimmt nur zum Teil. Ein Geschenk ist zwar umsonst, ich brauche nichts dafür zu tun. Aber es ist nicht vergeblich, denn es stiftet Beziehung. Es fordert von mir nichts, aber es fordert mich heraus. Auch Gott schenkt, ohne etwas zurückzuverlangen. Er ist großzügig, weitherzig und voller Liebe. Aber auch er verbindet mit seinen Geschenken Erwartungen. Er fordert nichts, er stellt keine Bedingungen. Seine Liebe ist umsonst, aber sie will nicht vergeblich sein.

Die Texte dieses Sonntags erzählen Geschichten vom Schenken und Danken. Jesaja erzählt von einem Weinberg, den Gott umsorgt und pflegt. Dieser Weinberg ist das Volk Israel. All seine Liebe hat Gott diesem Volk erwiesen, doch die Antwort blieb aus. Gottes Liebe brachte keine Gerechtigkeit hervor, seine Gnade keinen Dank, seine treue Sorge blieb ohne Frucht. Nur „saure Beeren“, nur Unrecht und Gewalt. Trotzdem gibt Gott sein Volk nicht auf.

Jesus erzählt diese Geschichte weiter. Der Gutsbesitzer im Evangelium, das ist Gott. Er verwendet alle Liebe und Sorge auf seinen Weinberg, seine Welt. Die Erntezeit, das ist der Anbruch des Reiches Gottes. Die Knechte sind die Propheten, und der Sohn ist Jesus selbst.

Jesus führt Hohepriester und Älteste vor

Der Autor
Stefan Jürgens ist Leitender Pfarrer in Ahaus.

Wer sind die bösen Winzer? Das sind die Hohepriester und die Ältesten des Volkes. Sie haben den Weinberg an sich gerissen und Gottes Liebe verdunkelt durch ihre kleinkarierten Gesetze. So haben sie das Volk Gottes für dumm verkauft und andere klein und abhängig gemacht.

Jesus erzählt das Gleichnis den Hohepriestern und Ältesten. Dadurch bekommt es eine besondere Schärfe. Denn sie sprechen sich darin selbst das Urteil. „Was wird Gott mit den bösen Winzern tun?“, fragt Jesus sinngemäß, und seine Gegner antworten: „Er wird den Weinberg an andere Winzer verpachten, die ihm die Früchte abliefern, wenn es Zeit dafür ist.“ Gottes Weinberg ist gut und fruchtbar, nur die Winzer sind schlecht. Die Hohepriester und Ältesten haben für das Volk nicht gesorgt, ihre Selbstgerechtigkeit brachte keine Frucht. Deshalb sucht Gott jetzt neue und gute Winzer. Und Jesus sagt: „Das Reich Gottes wird euch weggenommen und einem Volk gegeben werden, das die erwarteten Früchte bringt.“ Dieses neue Volk, diese guten Winzer im Weinberg Gottes, das sind wir, das soll die Gemeinde sein. Wir, die wir wissen, dass Gott seinen Sohn gesandt hat, dass er auferstanden ist und unter uns lebt. Dass der Weinberg gut ist – „geschenkt ist geschenkt“ – dass Gott dafür auch etwas erwartet: Frieden, Gerechtigkeit, Glaube, Liebe und Hoffnung.

Es braucht Dankbarkeit, um Gott nicht zu vergessen

Was sind die Früchte, die wir bringen sollen? Die zweite Lesung gibt einen guten Hinweis: Paulus lädt seine Gemeinde ein, ihren Dank vor Gott zu bringen. Dankbarkeit ist der erste Schritt, um Gott nicht zu vergessen. Danken heißt, nichts als selbstverständlich hinzunehmen, heißt nachzudenken darüber, dass unser ganzes Leben ein Geschenk ist. Wer geliebt wird, kann lieben, und wer beschenkt ist, beginnt zu teilen.

Die bösen Winzer, also die Hohepriester und Ältesten, haben andere verachtet, für unrein erklärt und verurteilt. Christinnen und Christen müssen gute Winzer sein, die mit anderen teilen: Glauben und Leben, Güter und Güte. „Geschenkt ist geschenkt“ – Gott gibt alles umsonst: die Welt, das Leben, seinen Sohn, die Gemeinschaft der Gemeinde. Er verlangt dafür nichts zurück. Doch er lädt uns ein, dass wir darauf antworten und Frucht bringen: indem wir Herz und Hände öffnen, indem wir glauben und lieben, danken und teilen.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 27. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) finden Sie hier.

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