Stefan Jürgens über das dümmste aller Predigtthemen

Auslegung der Lesungen vom 28. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr A

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Eine Hochzeitsfeier ist ein großartiges Fest - vor allem für die, die dabei sind. Merkwürdig, dass manche Prediger sich um die anderen kümmern. Findet Stefan Jürgens, Pfarrer in Ahaus, und holt alle Eingeladenen an den Tisch.

Es gibt ein Predigtthema, über das sich immer alle aufregen. Weil es fehl am Platz ist. Es ist wirklich das dümmste aller Predigtthemen: die Kirchenbesucherzahlen. Denn die Gemeinde, die sich das anhören muss, ist doch da! Trotzdem wird darüber immer wieder gesprochen und lamentiert. Es ist kein Wunder, dass in einer solchen Gemeinde keine Freude aufkommt. Und voller wird die Kirche davon auch nicht, ganz im Gegenteil.

Auch bei anderen Gelegenheiten hört man oft: „Schade, dass nur so wenige da sind.“ Etwa bei Vorträgen, bei Seminaren und Feiern. Ich sage dann jedes Mal: „Schön, dass Sie gekommen sind!“ Warum soll man denen, die da sind, vorwerfen, dass andere nicht da sind? Das ist ohne Zweifel das Dümmste, was man tun kann.

Gut gemeint, aber nicht gut gemacht

Die Lesungen vom 28. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Solche dummen Predigten habe ich als Kind immer wieder gehört. Zum Beispiel über das heutige Evangelium. Das Festmahl, so der Pastor damals, das sei die heilige Messe. Aber es kämen ja nur so wenige. Deshalb seien alle, die nicht kämen, böse, und alle, die da seien, gut. Man müsse sich nicht wundern, wenn man hinterher die Quittung kriegt. Er hat es bestimmt gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Seine Kirche wurde davon auch nicht voller.

Kein Wunder! Das Evangelium spricht von etwas ganz anderem. Jesus erzählt ein Gleichnis über das Reich Gottes. Der König, das ist Gott. Sein Sohn ist Jesus. Die Hochzeit, zu der alle eingeladen sind, ist das Reich Gottes. Die zuerst eingeladenen Gäste, das ist das Volk Israel, das auserwählte Volk. Zu ihm hatte Gott seine Diener, die Propheten, gesandt. Doch Israel hat die Einladung nicht angenommen. Das ist ganz sicher kein Antijudaismus, sondern eine eindringliche Einladung für das, was jetzt kommt.

Diener auf der Straße

Denn als nächstes gehen die Diener – jetzt sind es die Apostel, die christliche Gemeinde – auf die Straßen hinaus. Diese Straßen, das ist die ganze Welt, das sind alle Menschen. Nicht nur das Volk Israel, sondern alle sind jetzt eingeladen, am Reich Gottes teilzuhaben. Dann gibt es einen, der kein Festgewand anhat, und der wird hinausgeschmissen. Er steht für diejenigen, die zwar zum Festmahl gekommen sind, die erlöst werden wollen, die aber dann nicht den Willen Gottes tun. 

Das Evangelium steht für die junge Kirche auf ihrem Weg zu allen Menschen. Zunächst hatten sich die Apostel nur an Juden gewandt. Wer Christ werden wollte, musste zum Volk Israel gehören. Paulus hatte sich dafür eingesetzt, das Evangelium allen Menschen zu bringen: Juden und Heiden. So hatte die Kirche begonnen, in der ganzen Welt zu missionieren, nicht nur in Israel. Denn nur in Israel hatte die Mission der jungen Kirche zunächst wenig Erfolg. 

Die Zeit des Matthäus

Der Autor
Stefan Jürgens ist Leitender Pfarrer in Ahaus.

Im Jahre 70 nach Christus wurde der Jerusalemer Tempel zerstört. Das war für die Christen ein wichtiges Datum. Denn mit den Juden gingen nun auch sie in die Diaspora, sie wurden in aller Herren Länder zerstreut. Und überall begannen sie, neue Christen zu gewinnen. Der Festsaal des Reiches Gottes füllte sich mit Gästen – an allen Hecken und Zäunen waren sie zu finden, vor allem bei den Armen.

In dieser Situation schreibt der Evangelist Matthäus das Gleichnis auf. Das Evangelium steht also, historisch gesehen, am Scheideweg zwischen Israel und der jungen Kirche. Alle Menschen sind eingeladen, im Festsaal Platz zu nehmen, sich taufen zu lassen, das neue Volk Gottes zu werden. Aber es genügt nicht, einfach nur dazu zu gehören. Gottes Gnade ist und bleibt Geschenk, aber wer nichts daraus macht, der macht es sich allzu leicht. Gottes Gnade ist nicht billig zu haben. Wer zur Kirche gehört, der muss auch Gottes Willen tun.

Alle sind eingeladen

Wir sind getauft und haben im Festsaal Platz genommen. Freuen wir uns, dass wir am Festmahl teilnehmen dürfen, das schon zu Jesajas Zeiten ein Zeichen der Freude über die Rettung durch Gott gewesen ist. Helfen wir einander wie die Gemeinde in Philippi, der Paulus seinen Dank ausspricht. Wer Gottes Willen tut, der gehört dazu. Wer sich von Gott geliebt weiß, kann lieben. „Viele sind gerufen“, das bedeutet: Alle sind eingeladen. „Wenige sind auserwählt“, das heißt: An der Liebe zeigt sich, ob wir wirklich geworden sind, wie wir uns nennen: Christinnen und Christen.

Wenn wir sind, was wir sagen, und tun, was wir sind; wenn wir leben, was wir glauben, dann tragen wir ein Festgewand, mit dem wir uns sehen lassen können. Nicht nur am Tisch des Herrn, sondern immer und überall.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 28. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) finden Sie hier.

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