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Heuchelei, Selbstgerechtigkeit und Überheblichkeit sind fehl am Platz, wenn es um die Verkündung der Frohen Botschaft geht. Das erkannte bereits Jesus, als er gegen die religiösen „Würdenträger“ antrat, sagt der emeritierte Weihbischof Dieter Geerlings und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.
Seinem Ärger richtig Luft machen: das kann Jesus. Er hat das religiöse Establishment im Blick. Mit den Armen und Schwachen, mit den Sündern und religiösen Außenseitern, mit Dirnen und Menschen „am Rande“ konnte Jesus. Schwierig war es ihm mit den pharisäisch Frommen. Jesus als Empörer? Jedenfalls könnten seine Worte ermutigen, über andere herzuziehen, über Gebetsriemen und Quasten an den Gewändern, über diese..! So die Eitelkeiten religiöser „Würdenträger“ einmal aufzudecken. Hat Jesus nicht recht?
Empörung ist heute einfach. Durch ein paar Klicks auf dem Smartphone ist sie überall zu empfangen, kaum wieder einzufangen. Jesus in der Weise „im Netz“, das kann ich mir nicht vorstellen. Die Spur des Evangeliums ist auch anders: Nämlich wie Christsein geht und wie es nicht geht. Das lässt der Evangelist Matthäus durch die Rede Jesu ausdrücken, zugegeben ziemlich polemisch mit historisch zu pauschaler Kritik an den Pharisäern und Schriftgelehrten. Aber überspitzt reden fördert die Wahrnehmung.
Wenn Glauben durch Vorschriften und Regelungen schwindet
Die Lesungen vom 31. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.
Die da auf dem „Stuhl (kathedra, Kathedrale..) des Mose“ sitzen, deren Botschaft stellt Jesus grundsätzlich gar nicht infrage. Aber ihre Lebensführung passt überhaupt nicht zu ihrer Auslegung des Wortes der Heiligen Schriften. Darauf zielt die Kritik Jesu. Diese Autoritäten machen das Glauben durch vielerlei Lasten – Vorschriften, Regelungen – so schwer, dass vielen Menschen gerade dadurch die Beziehung zu Gott immer mehr schwindet. Sie können ihres Glaubens in Freiheit nicht froh werden. Und: es geht diesen Autoritäten wohl eher um Äußerlichkeiten, um Ansehen und Macht. Diese Polemik Jesu könnte man abhaken, wenn es dabei nur um die Pharisäer und Schriftgelehrten ginge. Natürlich sind Verhaltensweisen in der jungen Christengemeinde damals im Blick, wo also Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen.
Und heute? Als Weihbischof, der nicht selten liturgische Gewänder und Insignien trägt als Zeichen des bischöflichen Dienstes, fühle ich mich durch das Evangelium besonders herausgefordert. Das mag ein Nebenthema sein…, und doch! Es ist natürlich der Sinn solcher Gewandung, dass die Person gegenüber der Aufgabe, dem Dienst, dem Amt gerade dadurch zurücktritt. Der auferstandene Herr soll „aufscheinen“ können. Auch das Schöne ist wichtig und ein Weg zu Gott. Und jeder Christ soll davor sagen können: Ich bin nicht braver, nicht keuscher, nicht selbstloser oft als der Rest der Menschheit. Aber ich darf mich mit dem einzigen Geschöpf verbunden wissen, das untrennbar von Gott ist, nämlich mit dem Menschen Jesus. Auch der, der die Gewänder und Zeichen für alle tragen darf, muss wissen, dass er solidarisch mit allen anderen vor den Menschen und Gott steht. Nur so kann er immer neu wahrhaftiger Zeuge des Evangeliums werden.
Papst Franziskus kritisiert Klerikalismus unserer Zeit