Pater Daniel Hörnemann: Alles hat in Gott seinen Ursprung

Auslegung der Lesungen vom 29. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr A

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Gott ist der Einzige, alles ist durch ihn geordnet. Mit diesem Vertrauen lassen sich auch Schritte Gottes akzeptieren, die auf den ersten Blick nicht verständlich scheinen, sagt Pater Daniel Hörnemann in seiner Schriftauslegung zum Sonntag.

Einem älteren Mitbruder ging ein gesungener Zahlenkatechismus aus Kindertagen nicht aus dem Kopf. In falschem, daher wohl leichter zu merkendem Deutsch hieß es da zur Zahl Eins: „Guter Freund, ich frage Dir – Bester Freund, was frägst Du mir? Sag mir, was ist Eins? Einmal Eins ist Gott allein, der da lebt, der da schwebt im Himmel und auf Erden.“

Die Zahl Eins wurde darin ganz selbstverständlich und ausschließlich auf Gott bezogen. Die Eins ist die einzige Zahl, die, mit sich selbst multipliziert oder auch durch sich selbst dividiert sowie mit jeder Zahl potenziert, wieder sich selbst ergibt, sich also durch diese Rechenoperationen nicht verändert. Symbolisch deutet das auf Gott als den Unwandelbaren und Unveränderlichen.

Die besondere Zahl Eins

Zugleich ist die Eins Ursprung und Maß der Zahlen, aus der alle anderen Zahlen geboren werden, und so Symbol des Ureinen, Unteilbaren, Göttlichen. Das meint symbolisch, alles hat in Gott seinen Ursprung. Einzig ist das nur einmal Vorhandene, Einmalige, Unwiederholbare.

Die Zahl Eins drückt „Einheit und Einssein“ und die erste Stelle in der Rangordnung aus. Nur auf Gott trifft das in vollkommener Weise zu. Kein Wunder, dass die Eins in der Bibel in Beziehung zum Wesen Gottes mit seiner Vollkommenheit und Absolutheit steht. Er ist der Herr und sonst niemand.

Gott ist einzigartig

Die Lesungen vom 29. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Der Herr ist der Erste und Einzig-Eine. „Adonai aechad“ – diese zwei Wörter bilden die kürzeste Form des jüdischen Glaubensbekenntnisses, oft in Todes- oder Martyriumsnöten auf den Lippen seiner Bekenner überliefert. Das berühmte „Schema Jisrael“ (Dtn 6,4) lautet: „Höre Israel, der Herr, unser Gott, ist einzig.“

Hier geht es weniger um einen abstrakten, theoretischen Monotheismus als um eine Liebesbeziehung, die den ganz Anderen, Gott, für so wichtig und wertvoll, für so einmalig und unvergleichlich hält, dass es neben ihm gar keinen anderen mehr braucht. Der Ein-Gott-Glaube sagt uns: Die Wirklichkeit dieser Welt ist, weil sie in dem einen Gott gründet, im Letzten kein chaotisches Durcheinander; sie hat von Gott her Ordnung, Sinn und Zusammenhalt.

Chaotisches Durcheinander

Israel hat in seiner Geschichte mehr als einmal chaotisches Durcheinander erleben müssen. Immer wieder schien das Ende nah, die bevorstehende Auflösung in die Bedeutungslosigkeit. Und doch hörte die Kraft der bereits Totgesagten nicht auf, denn sie hatten einen Gott, der ihnen immer und überall Leben zusprach.

Der Zusammenbruch nach den beiden Katastrophenjahren 722, Zusammenbruch des Nordreichs Israel, und 587, Zusammenbruch des Südreichs Juda mit der Zerstörung Jerusalems und dem Exil, war nicht das Ende, weil Gott noch nicht am Ende war mit seinem Volk. 

„Unser Gott ist mit uns noch nicht am Ende“ – diese Ermutigungsbotschaft gab Deutero-Jesaja dem Volk Israel zur Zeit des Babylonischen Exils. An die Stelle von Verzweiflung, Resignation, Mutlosigkeit und Zukunftslosigkeit treten neue, hoffnungsvolle Aussichten.

Der Herr des ganzen Weltgeschehens

Der Autor
Pater Daniel Hörnemann OSB ist Mönch der Benediktinerabtei Gerleve bei Billerbeck und Theologischer Berater von "Kirche+Leben".

Überraschend und wohl auch befremdlich ist die Wahl seiner Mittel und seiner Boten. Ausgerechnet der Perserkönig Kyrus II. ein Instrument des Herrn, der Hoffnungsträger Israels? Für Israels Ohren muss es anstößig geklungen haben, dass der Heide Kyrus wie ein Prophet und zudem als Gottes „Gesalbter“ angesprochen wird.

Wenn aber Gott der Herr des ganzen Weltgeschehens ist, kann er nach seinem Plan auch einen Heiden aussuchen, damit der göttliche Heilswille zur Ausführung gelangt. Israel musste sich mühsam daran gewöhnen, dass sein Gott auch Notiz von der Welt „draußen“ nahm, dass er sogar einen ausländischen König dazu bestimmte, seinen Namen bekannt zu machen. 

Der Gott aller Welt

Alle Zweifel an Gottes Macht sollen zerstreut werden. Deutero-Jesaja spricht von Gottes Wirken in Schöpfung und Geschichte, von seiner Sorge um sein Volk. Unser Gott ist auch mit uns noch nicht am Ende. So wirkt nur der Eine, das sollte der ganzen Welt offenbar werden. Dieser Gott wirkt nicht nur für Israel oder für uns Christen, er ist ein Gott aller Welt und will für alle das Heil.

 Jeder Mensch soll und kann zur Erkenntnis und Anerkennung Gottes gelangen, ihn für sich als den Einzig-Wahren entdecken. Das bedeutet, Gott zu geben, was Gott gehört. Um nicht in die Falle der Pharisäer mit ihrem Entweder-Oder zu tappen: Das schließt zugleich keineswegs aus, Verantwortung für das Leben in dieser Welt und Gesellschaft zu übernehmen.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 29. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) finden Sie hier.

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