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Das Evangelium vom „Guten Hirten“ ist wohl allgemein bekannt. Was kann es uns in der Gegenwart noch sagen? Eine Menge, sagt Pater Sebastian Debour OSB und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.
Wie oft mögen wir diese Selbstaussage und Selbstzusage Jesu Christi „Ich bin der Gute Hirt“ schon gehört oder gelesen haben? Was ist davon bei uns angekommen, was geblieben? Was und wie können wir als Menschen des 21. Jahrhunderts in unseren westeuropäischen Lebens- und Kultur-Landschaften damit noch etwas anfangen – oder vielleicht besser: Wie und womit kann dieser Text mit uns etwas anfangen?
Der Dreh- und Angelpunkt dafür scheint mir ein Wissen um uns selbst, ein Bewusstsein für uns selbst, für unsere tiefe und bleibende Bedürftigkeit zu sein, für unsere Sehnsucht nach liebevoller Zugehörigkeit und friedvoller Geborgenheit sowie unser glaubendes Vertrauen auf Gott, auf den Gott, den wir nach Ostern ohne Jesus Christus nicht mehr denken, von ihm nicht mehr trennen können.
Mehr als ein sehnsuchtsvolles Tasten?
Vielleicht ist sogar auch dieses vertrauende Glauben oft nicht mehr als ein sehnsuchtsvolles Tasten. Vielleicht fühlt es sich nur an wie die Ahnung eines ruhigen und freundlichen Blickes, die fast nicht mehr spürbare, untergründige Gewissheit eines Seindürfens und bedingungslosen Angenommenseins. „Seht, welche Liebe uns der Vater geschenkt hat“ (1 Joh 3,1).
Was kann uns da das Evangelium vom „Guten Hirten“ und darin und dadurch Jesus selbst im Hinblick auf diesen Dreh- und Angelpunkt vermitteln, damit wir es verinnerlichen, für uns und unsere Beziehungen neu und tiefer zur Erfahrung werden lassen können?
Von der unbedingten Verlässlichkeit Gottes
Da ist als Erstes die Erläuterung, was die Güte, das Rechtsein, die Qualität dieses Hirten ausmacht: „Der gute Hirt gibt sein Leben für die Schafe“ (Joh 10,11). Gott geht in Jesus in seiner Liebe zu uns aufs Ganze, bis zum Äußersten, bis zur Hingabe seines eigenen Lebens. Wir sind ihm sozusagen wichtiger als sein eigenes Leben! Er weicht dem nicht aus, was uns bis zum Todesernst bedroht. Auch wenn es für uns immer wieder so aussehen mag, als gebe es Gott gar nicht oder als habe er uns verlassen, im Stich gelassen.
Das dürfen wir dann wie Jesus am Kreuz auch beten: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?!“, denn er bleibt in allem bei uns, in uns gegenwärtig da. Er hat uns in Jesus geschichtlich greifbar seine unbedingte und unverbrüchliche Verlässlichkeit sogar durch den Tod hindurch und über den Tod hinaus zugesagt.
In Jesus erfüllt sich tiefe Sehnsucht