Christian Uhrig: An Ostern nichts Neues?

Auslegung der Lesungen vom Hochfest Ostern / Lesejahr B

Anzeige

Über Ostern ist doch alles gesagt, oder? Das können wir meinen, jedoch lohnt sich ein genauerer Blick auf die Ereignisse. So ist es auch möglich, dass der eigene Glaubensweg wachsen kann, erklärt Christian Uhrig und legt die Lesungen aus.

Was soll ich an Ostern Neues sagen? Ostern, da wissen doch alle Bescheid. Sie alle haben eine feste Vorstellung davon, was Ostern bedeutet, und ihre gewohnten Rituale sowie vertrauten Traditionen, wie Sie Ostern feiern. Auch die damaligen Leserinnen und Leser der Apostelgeschichte wussten Bescheid.

„Ihr wisst, was im ganzen Land der Juden geschehen ist“, so beginnt Petrus seine Predigt im Haus des Hauptmanns Kornelius, in der er vom Leben Jesu spricht, seinem Tod und seiner Auferweckung am dritten Tag. Sie waren zeitlich noch nah dran am Geschehen, wussten, was Apostel wie Petrus verkündigten. Auch die im Kolosserbrief Angesprochenen wussten Bescheid über die christliche Hoffnung: Christinnen und Christen sind durch die Taufe bereits mit Christus auferweckt. Einmal werden sie bei Gott sein und darauf sollen sie sich in ihrer Lebensführung ausrichten. Nichts Neues also an Ostern.

Jesus ist nicht zu finden

Die Lesungen vom Hochfest Ostern / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.

Auch Maria von Magdala im Johannes-Evangelium weiß Bescheid, als sie frühmorgens, als es noch dunkel ist, zum Grab Jesu kommt. Jesus ist tot und liegt in seinem Grab, das von einem Stein verschlossen ist. Doch es kommt ganz anders, als sie erwartet: Der Stein ist weggenommen. Jesus ist im Grab nicht zu finden. Wie jetzt?!

Verwirrt läuft sie schnell zu Simon Petrus und dem anderen Jünger, den Jesus liebte. Etwas Furchtbares ist passiert: „Sie haben den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben.“ Alle wissen Bescheid? Ganz und gar nicht, die drei wissen rein gar nichts mehr. Was nun? Auf zum Grab. Sich das noch mal mit eigenen Augen ansehen. Schnell laufen die beiden Jünger dorthin. Der Jünger, den Jesus liebte, ist schneller am Grab als Petrus, er sieht hinein und erblickt die Leinenbinden. Als Petrus ankommt, betritt er das Grab, sieht die Leinenbinden und dazu das Schweißtuch Jesu ordentlich zusammengebunden an einer besonderen Stelle liegen. Keine Reaktion.

„Er sah und glaubte.“

Was er denkt, was in ihm vorgeht, das erzählt das Johannes-Evangelium nicht. Erst als dann auch der andere Jünger das Grab betritt, in das er bisher nur hineingeschaut hatte, da passiert etwas: „Er sah und glaubte.“

Was er genau glaubte? Auch das erfahren wir nicht. Die beiden Jünger im Grab gehen in keinen Austausch, sie sprechen kein Wort darüber, was sie im Grab erlebt haben. Nur eine Erklärung wird uns angeboten: „Denn sie hatten noch nicht die Schrift verstanden, dass er von den Toten auferstehen müsse.“

Der Glaube muss wachsen

Nichts Neues an Ostern? Das Johannes-Evangelium lässt seine Leserinnen und Leser mit anderen Augen auf Ostern schauen und nimmt sie mit zur Geburtsstunde des Osterglaubens. Er ist nicht einfach da, dieser Glaube, er muss wachsen. Im Johannes-Evangelium entsteht er auf einem Weg, den Maria von Magdala, Petrus und der Jünger, den Jesus liebte, beschreiten müssen. Am Anfang dieses Weges bricht alles zusammen, was sie wissen. Sie sind verwirrt, müssen in Bewegung kommen und genau hinschauen. Erst dann kann ihnen klar werden, was wirklich geschehen ist. Erst dann ist Glauben möglich.

Sicher, wir fangen bei unserem Osterglauben nicht bei Null an. Trotzdem ist die Erinnerung an die Geburtsstunde des Osterglaubens für mich ein Anlass, meinen eigenen österlichen Glauben in den Blick zu nehmen. Weiß ich wirklich Bescheid? Habe ich schon alles verstanden? Oder lohnt sich ein neuer Blick auf das Altbekannte und lange Vertraute? Ist es nicht an der Zeit für neue Dynamik? Zeit, genau hinzusehen? Zeit, zu fragen, was das eigentlich mit mir zu tun hat, was damals an Ostern geschehen ist, und offen zu sein für neue Erfahrungen mit dem, der mir auf meinem Glaubensweg begegnen will?

Eigener Glaubensweg kann in Bewegung kommen

Mit der Geschichte am Grab beginnt der österliche Glaubensweg erst. Das Johannes-Evangelium erzählt von weiteren Etappen, bei denen der Auferstandene Menschen von Angesicht zu Angesicht begegnen wird. Das Ziel dieses Glaubensweges nennt das Johannes-Evangelium auch: „Damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen“ (Joh 20,31).

Nicht darum, Bescheid zu wissen, geht es also beim Glauben. Sondern darum, durch den Glauben Leben zu haben, Leben in Fülle. Dafür lohnt es sich, in diesen österlichen Tagen in Bewegung zu kommen. Nicht nur beim Osterspaziergang oder bei der Ostereiersuche, sondern auch auf dem eigenen Glaubensweg.

Sämtliche Texte der Lesungen vom Hochfest Ostern / Lesejahr B finden Sie hier.

Anzeige