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Die Geschichte von Thomas ist vielen Christen bekannt. Er glaubte nicht, bis das Wunder vom Glaubenkönnen geschah. Wie Thomas ein Vorbild für uns sein kann, erklärt Pater Daniel Hörnemann OSB und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.
Mit einem Schlag wurde die Kleinstadt Loches-en-Touraine in Zentralfrankreich 1999 weltberühmt. Sie feierte die Entdeckung von zwei Werken des italienischen Altmeisters Michelangelo Merisi, besser bekannt als Caravaggio. Die jahrhundertelang unter der Orgelempore der Kirche Saint Antoine eingelagerten Gemälde waren vergessen, bis ein örtlicher Kurator auf sie aufmerksam wurde.
Der Experte Jose Freches bestätigte die Echtheit der Werke. Es handelt sich um Varianten der Emmaus-Szene und der Begegnung des Thomas mit dem Auferstandenen (Foto oben). Der Regisseur Martin Scorsese meinte: „Würde Caravaggio heute leben, hätte er das Kino geliebt, seine Gemälde haben einen cineastischen Ansatz. Was uns an seiner Arbeit beeindruckt, ist die außergewöhnliche Kraft des scheinbaren Realismus.“
Thomas-Gemälde lasst einen zurückschrecken
Die Lesungen vom 2. Sonntag der Osterzeit / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.
Man nannte Caravaggio ein „Genie zwischen Kunst, Skandal und Kriminalität“. Er starb jämmerlich mit nur 39 Jahren. Seine Vorliebe für gewöhnliche Gestalten, für Menschen von der Straße mit zerrissener Kleidung, schmutzigen Händen und Füßen. Sie wirkten so lange abstoßend, bis man bemerkte, dass die Figuren seiner Bilder zwar in Finsternis gehüllt sind, durch das Licht jedoch verklärt werden. Er setzte einfachen Leuten in seinen Bildern ein Denkmal. So auch in seinem Thomas-Gemälde.
Die Szene lässt einen unwillkürlich zurückschrecken, so realistisch und intensiv wirkt das abgebildete Geschehen. Der Betrachter empfindet den Schmerz geradezu selbst körperlich mit und wird Zeuge nicht nur einer Untersuchung, sondern fast einer Vergewaltigung. Ein Mann in bäuerlicher, abgerissener Kleidung sticht den langen Zeigefinger seiner groben, verschmutzten Hände in die klaffende Seitenwunde eines anderen Menschen mit fahler Haut und blassem Gewand. Was für eine Übergriffigkeit, was für eine dreiste Penetration ins Innerste eines anderen!
Thomas kam durch Anschauung zum Glauben
Und das vor zwei intensivst teilnehmenden Zuschauern, die gebannt und mit zerfurchter Stirn das Geschehen betrachten. Zudem führt der Verletzte dem Eindringling auch noch selbst die forschende, fast brutale Hand, wehrt ihn nicht ab, sondern lässt die Berührung der tiefen Wunde zu. Caravaggio geht hier weit über das Evangelium hinaus, von der dargestellten Szene steht nämlich nichts darin.
Was er jedoch nicht malt, das ist ein Thomas, an dem sich das Wunder des Glaubens vollzogen hat. Wir meinen, die Thomas-Geschichte gut zu kennen und zumindest das ganz genau zu wissen, dass der ungläubige Thomas Jesus berührt hat. Doch ist keineswegs die Rede davon, dass Thomas de facto seine Hand in die Seitenwunde Jesu gelegt hat. Von einer Berührung oder gar einer Zudringlichkeit wird nichts gesagt. Thomas hat wohl der Anblick Jesu und seiner Wunden schon ausgereicht, um das kürzest formulierte Glaubensbekenntnis folgen zu lassen: „Mein Herr und mein Gott!“ Er kam durch die direkte Anschauung und Begegnung zum Glauben.
Thomas als Prototyp des Zweifelns